Mutmaßliche IBA-Gegner schleudern in Wilhelmsburg Farbeimer und einen Pflasterstein in ein Schaufenster und beschmieren einen Laden.

Hamburg. Der kleine Laden Messi de Luxe an der Mokrystraße strotzt vor Kreativität. Selbst entworfene Taschen stehen hier neben liebevoll ausgesuchten Accessoires und Originalen aus den 70er-Jahren. Das bunte Durcheinander macht Lust zum Stöbern in dem kleinen Laden, den man eher in der Schanze vermuten würde - und nicht mitten im Reiherstiegviertel in Wilhelmsburg. Das Kreativ-Idyll trügt. Schon zweimal wurde Messi de Luxe Ziel von Anschlägen. Zuletzt am 1. April. Die Inhaber vermuten militante Gegner der Internationalen Bauausstellung (IBA) als Täter.

Die Spuren des ersten Anschlags sind noch nicht ganz beseitigt. Schwarze Spritzer neben dem großen Schaufenster verunstalten die bordeauxrot gestrichene Fassade. Am 24. November schütteten bis heute unbekannte Täter einen Eimer Farbe gegen das Schaufenster. "Ich konnte mir erst gar nicht plausibel erklären, warum jemand so etwas getan hat", sagt Inhaber Jörg Rickert, 44. Mittlerweile kann er es. Kurz vor dem Farbanschlag war eine IBA-Broschüre erschienen, auf der der kleine Laden gleich über einem Beitrag über die Soulkitchen-Halle als sehenswert angepriesen wurde. "Ich wusste bis dahin gar nicht, dass wir da drin waren", sagt Rickert.

Der zweite Anschlag ereignete sich vor ein paar Tagen. Am frühen Morgen des 1. April flog ein Pflasterstein in das österlich dekorierte Schaufenster. Der Schaden beträgt mehrere Hundert Euro. Es gibt zwar niemanden, der sich zur Tat bekennt, einen möglichen Bezug zu Protesten gegen die IBA gibt es jedoch schon. An dem Morgen, so weiß es Rickert, hatten IBA-Gegner zu einer "Schnitzeljagd" durch Wilhelmsburg aufgerufen. Dazu hatten IBA-Gegner den Laden bereits Tage zuvor mit einem stilisierten, "ge-ixtem" Haus "gekennzeichnet". Die Polizei geht bislang nicht von politisch motivierten Taten aus. Beide Anschläge auf den Laden Messi de Luxe werden als Sachbeschädigungen gewertet, die an der örtlichen Wache bearbeitet werden. "Es gibt beispielsweise keine Bekennerschreiben", sagt Hauptkommissar Holger Vehren. Auch sonst habe man keine konkreten Anhaltspunkte, die eine Übernahme des Falls durch die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts rechtfertigen würden.

Die Schmiererei an der Fassade wird einer Gruppe namens "Urban Ätsch" zugerechnet, die nicht nur in Wilhelmsburg, sondern in ganz Hamburg aktiv ist und auf diese Weise auf Leerstand und auf in ihren Augen erhaltenswerte Gebäude hinweist. Die Klientel von Urban Ätsch wird als eher "bürgerlich" eingestuft. Dass der Laden Messi de Luxe so für IBA-Gegner als potenzieller Anschlagsort gekennzeichnet wurde, glaubt man bei der Polizei nicht. "Diese Bewegung ist eigentlich gewaltfrei", sagt Vehren. Das gilt auch für den Großteil der restlichen Anti-IBA-Szene auf der Elbinsel, die sich laut Insidern aus vielen kleinen Gruppen zusammensetzt, die "untereinander zudem oft zerstritten sind". Es gibt aber auch ein "Krawalltourismus" Richtung Elbinsel, wie am Tag der Eröffnung, als 150 Linksautonome nach Wilhelmsburg kamen, die nach Einschätzung der Polizei sehr wohl zu "Gewalt gegen Sachen" neigten, sich aber angesichts der massiven Polizeipräsenz nicht austoben konnten. Jörg Rickert glaubt, dass die beiden Anschläge auf den Laden von auswärtigen Tätern verübt wurden, die sein Geschäft mit der IBA in Verbindung bringen.

Der Anschlag zerrt an den Nerven. "Ich habe die erste Nacht nach der Tat nicht schlafen können", sagt Rickert. "Ich hatte Angst, dass das Telefon klingelt, weil wieder etwas passiert ist." Das sei nicht mehr das Wilhelmsburg, das er kenne. Vor elf Jahren zogen er und sein Partner Lucas von St. Pauli ins Reiherstiegviertel. "Wir sind hier von den Menschen, vor allem den Alteingesessenen, sehr herzlich empfangen und angenommen worden", sagt Rickert.

Ihren Laden öffneten sie vor fast zwei Jahren. Noch wirft er nicht genug für den Lebensunterhalt der beiden ab. An drei Tagen pro Woche ist geöffnet. In der übrigen Zeit müssen beide anderer Arbeit nachgehen, um existieren zu können. Rickert selbst ist nebenher als Fahrradkurier unterwegs. "Unsere manchmal bis in die Nacht andauernde Arbeit ist mit viel Idealismus verknüpft", schreiben sie über ihr Leben als Kleinunternehmer. "Wir setzen all unsere Arbeitskraft, unsere selbst erarbeiteten und ersparten finanziellen Mittel ein und riskieren alles ohne jegliche Subventionen oder Förderer im Hintergrund." Jetzt haben sie sogar eine Belohnung ausgesetzt. 500 Euro soll derjenige bekommen, der den entscheidenden Hinweis zur Ergreifung der Täter gibt, die am 1. April den Pflasterstein in ihr Schaufenster schleuderten. Im März hatten IBA-Gegner die Glasfront des "IBA-Schaufensters" im Gloria-Tunnel in Harburg beschmiert. Dazu wurde ein Plakat mit der Aufschrift "IBA versenken" auf das Glas geklebt.