57-Jähriger sticht auf Lebensgefährtin ein. “Ich liebe meine Freundin, ich habe alles für sie gemacht”, so der Angeklagte vor Gericht.

Neustadt. Die Schmerzen waren unerträglich, das ganze Leiden nicht mehr auszuhalten. Etwa eine Stunde hatte Zahra H. schwer verletzt und blutüberströmt dagelegen, als sie schließlich mit ihrer Kraft am Ende war. Sie brauche endlich Hilfe, oder er solle ihrem Leiden ein Ende bereiten, forderte die 63-Jährige ebenjenen Mann auf, der für ihre lebensbedrohliche Lage verantwortlich war, weil er mehrfach mit einem Brotmesser auf sie eingestochen hatte. Doch statt der erhofften Hilfe erlebte das flehende Opfer erneut Gewalt: Mit Wucht fuhr das Messer noch einmal in ihren Bauch. Irgendwie schaffte die 63-Jährige es dennoch, Hilfe herbeizutelefonieren - und zu überleben. Eine Notoperation war erforderlich, um die Frau zu retten. Und wohl auch eine gehörige Portion Glück.

Es klingt nach einem Albtraum, was Zahra H. laut Anklage durchlebte. Der Mann, der sie diesem Martyrium ausgesetzt haben soll, ist ihr damaliger Lebensgefährte Saeid G., der sich jetzt vor dem Schwurgericht wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten muss. Dabei sei der 57-Jährige heimtückisch und grausam vorgegangen, heißt es über die Tat vom 30. Mai. Nach mehreren Stichen habe er zunächst mit den Worten von seinem Opfer abgelassen, "sie solle verbluten", so die Anklage. Schließlich kam der letzte Stich, bei dem der Täter das Messer im Bauch seines Opfers stecken ließ. Sie zog es eigenhändig wieder heraus.

Die entsetzlichen Erlebnisse haben deutliche Spuren in das Gesicht von Zahra H. gegraben, verhärmt wirkt die 63-Jährige, die beim Gehen ein Bein nachzieht. Ihre Hände sind ineinander verkrampft, ihre Augen fixieren den Angeklagten bei diesem Prozessauftakt nicht einmal. Ganz anders Saeid G., der das Opfer mit durchdringendem Blick beäugt, bevor er seine in Teilen sehr verwirrende Aussage beginnt. "Es ist so, dass sich diese Sache ereignet hat", formuliert der gebürtige Iraner mit deutschem Pass. Aber heimtückisch sei die Tat nicht gewesen. "Ich liebe meine Freundin, ich habe alles für sie gemacht." Er habe sie nicht töten wollen, aber es sei "nun mal passiert. Es ist aber kein Grund, dass unsere Liebe zerstört wird." Er frage sich immer wieder: "Warum habe ich das gemacht? In meinem Gehirn stand gar nicht so was wie töten oder so. Vielleicht wollte ich ihr Angst machen", überlegt der vollbärtige Mann. Was seine frühere Partnerin im Ermittlungsverfahren ausgesagt habe, "ist alles richtig. Sie sagt die Wahrheit."

Am Tattag habe er wegen einer Drogenabhängigkeit vier bis fünf Methadontabletten eingenommen und beim Betreten der gemeinsamen Wohnung wie schon häufiger zuvor "Stimmen gehört". Seine Freundin habe auf dem Bett gelegen und ihn als "Junkie beschimpft. Ich habe daraufhin in der Küche zwei Messer gegriffen, das eine war sehr stark, ich habe gefürchtet, dass sie das töten könnte." Deshalb habe er sich "für das kleinere entschieden" - ein Messer mit 20 Zentimeter Klingenlänge. Drei Stiche habe er seiner Freundin versetzt, behauptet der Angeklagte. Laut Staatsanwaltschaft sind es neun gewesen. "Als sie über Schmerzen klagte, habe ich ihr Schmerztabletten gegeben." Warum er keinen Arzt verständigte, könne er nicht sagen. Nach dem Verbrechen habe er sich selber umbringen wollen. "Diesen Gedanken hatte ich nicht zum ersten Mal, habe es aber doch nicht versucht." Er liebe Zahra H., wiederholt er mehrfach. "Alles Mögliche war in meinem Gehirn. Nur nicht, dass ich sie jemals in meinem Leben auch nur verletzen würde. Ich habe alles verloren, was ich hatte", schluchzt Saeid G. und wischt sich mit einem Taschentuch über die Augen.

Das Opfer wird am 26. November aussagen. Mehrfach hat Zahra H. den Angeklagten in der Untersuchungshaft besucht. Sie habe ihn dann gefragt, warum er ihr das angetan habe, erzählt der 57-Jährige. "Sie hat ja nicht erwartet, dass sich so etwas ereignet, und dann durch mich, durch meine Hände." Er schäme sich sehr für sein Verbrechen. "Ich sagte zu ihr: Ich wollte dir das nicht antun. Es ist einfach so passiert."