Mit drei Komplizen soll der Angeklagte 2006 Angehörige einer wohlhabenden Familie gefesselt und geknebelt haben. Geständnis zum Prozessauftakt.

Neustadt. Die Räuber kamen tief in der Nacht. Vier Männer mit schwarzen Motorradmasken, die plötzlich im Zimmer von Leif N., damals 59, standen. Sie fesselten und knebelten den Geschäftsmann, seine zwei Kinder und seine Ehefrau. Dann räumten sie den Tresor leer - und flüchteten mit der Beute: Schmuck und Geld im Wert von rund 210 000 Euro.

Sechs Jahre liegt der brutale Raubüberfall auf Familie N. zurück, und nichts ist vergessen. Bis heute hat sie nicht verarbeitet, was sich am 21. Mai 2006 in ihrer Villa am Alsterlauf abgespielt hat. Der Vorsitzende Richter spricht von "beträchtlichen Folgen" für die Kinder, von einem schweren Trauma. Ein Drittel der Menschen, in deren Häuser eingebrochen wurde, leidet unter anhaltender Angst- und Schlafstörungen - ohne dass sie bedroht wurden. Wie sehr müssen Opfer dann erst durch eine Geiselnahme in den eigenen vier Wänden belastet sein?

Seit gestern steht einer der Täter vor dem Landgericht: Roman P., ein bulliger Kerl mit Glatze und tätowierten Fingern. 5000 Euro will der Pole für den Überfall von einem ominösen "Auftraggeber" erhalten haben. "Es tut mir sehr leid", sagt der 28-Jährige mit müder Stimme. Nach ihm hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft mit internationalem Haftbefehl gesucht, im März 2012 wurde er in Polen festgenommen. Ein weiterer Täter, David W., ist bereits 2007 zu fast fünf Jahren Haft verurteilt worden. Um den Opfern eine belastende Aussage zu ersparen, hat sich das Gericht gestern mit der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft auf eine Freiheitsstrafe von mindestens vier und höchstens fünf Jahren und vier Monaten verständigt. Im Gegenzug hat Roman P. ein Geständnis abgelegt. Aus Angst vor Rache wolle er die Namen seiner Komplizen aber nicht nennen. Ihr Hintermann in Polen habe ihn und seine drei Mittäter auf die Villa an der Inselstraße in Alsterdorf angesetzt, sagt Roman P. "Er sagte, es gibt dort viel zu holen. Notfalls sollten wir den Tresor aus der Wand reißen." Zwei Tage liegen die Räuber auf der Lauer, angeblich sollen sogar noch drei weitere Komplizen die dreigeschossige Villa von einem Kanu auf der Alster aus beobachtet haben. Doch Familie N. bleibt auch am 21. Mai 2006 zu Hause. "Unser Chef hat Druck gemacht: Wir sollten rein, auch wenn Personen dort sind." Gegen 4 Uhr morgens brechen sie ein Fenster auf, Roman P. und zwei Komplizen stürmen in das Zimmer von Leif N. Als sie seine Beine mit Kabelbindern fesseln, zieht der 28-Jährige ihm eine goldene Rolex vom Arm. Dann muss der 59-Jährige ins Schlafzimmer hüpfen, wo der vierte Räuber bereits seine sieben Jahre alte Tochter und den 15-jährigen Sohn auf dem Bett gefesselt und geknebelt hat. Leif N. bekommt kaum noch Luft, als ihm die Männer eine Plastiktüte über den Kopf ziehen. Dann zwingen sie seine Frau, den Safe zu öffnen.

Bevor die Räuber mit dem Geschmeide flüchten, binden sie Vater, Mutter und die Kinder mit Krawatten und Gürteln aneinander. Dann verschließen sie die Schlafzimmertür, nehmen die Autoschlüssel mit - damit ihre Opfer sie nicht verfolgen können. 20 Minuten später kann sich die Frau befreien und den Sicherheitsdienst alarmieren. Noch lange danach steht die Familie unter Schock, will erst nicht mit der Polizei sprechen. "Ich glaube, sie wollte den Kontakt mit der Polizei so gering wie möglich halten, um die Tat zu verdrängen", sagt ein als Zeuge geladener Beamter.

Ganz widerspruchsfrei klingt die Schilderung des Angeklagten indes nicht: An den Kabelbindern fanden sich Spuren seiner DNA. Doch er will sie nie angefasst haben. Familie N. berichtete, sie sei mit einem Baseballschläger bedroht worden - Waffen seien gar nicht eingesetzt worden, sagt er. Überhaupt seien sie umsichtig gewesen. Als der Junge einen Hustenanfall bekam, habe er ihm ein Kissen untergelegt. "Wenn jemand etwas trinken wollte, haben wir es gebracht, mussten die Fesseln gelockert werden, haben wir auch das gemacht."