Neuntklässler rammte einem 15-Jährigen Schere in den Rücken, als der einen Streit schlichten will. Polizei nimmt den Täter bei seinen Eltern fest.

Hamburg. In der Stadtteilschule am Hafen - ehemals Rudolf-Ross-Gesamtschule - hat ein Neuntklässler seinen Mitschüler mit einer zehn Zentimeter langen Schere schwer verletzt. Der 16-Jährige stach dem ein Jahr jüngeren Kontrahenten die Schere im Deutschunterricht in den Rücken. Der verletzte Junge - er hatte offenbar einen Streit zwischen dem späteren Täter und einem weiteren 16-Jährigen schlichten wollen - kam ins Krankenhaus. Lebensgefahr besteht laut einer ersten medizinischen Diagnose nicht.

Der Streit in der Schule entbrannte gegen 10.45 Uhr in einem Klassenraum im vierten Obergeschoss. Eine 51 Jahre alte Lehrerin unterrichtete Deutsch in einer sogenannten Vorbereitungsklasse, in der Migrantenkinder die deutsche Sprache lernen, das für den späteren gemeinsamen Unterricht notwendig ist. Ein 16-Jähriger aus Guinea geriet im Unterricht mit einem afghanischen Mitschüler aneinander. Die Jungen stritten lautstark.

Der 16-Jährige griff nach einem Stuhl und schlug nach dem Gleichaltrigen. Zu diesem Zeitpunkt, so schilderten es Mitschüler gegenüber der Polizei, versuchte der 15-Jährige, ein Schüler aus Bulgarien, den wütenden Jugendlichen zu beruhigen. Der aber griff sich - möglicherweise im Affekt - eine Schere, die auf einem der Tische lag und rammte sie dem 15-Jährigen in den Rücken.

Auch die Lehrerin hatte offenbar versucht, den Kampf zu beenden. Die 51-Jährige sei aber gegen die Kraft des jugendlichen Täters nicht angekommen, heißt es seitens der Polizei.

Nach der Tat flüchtete der Schüler über die Feuertreppe vom Schulgelände. Lehrkräfte riefen Notarzt und Polizei. Während Sanitäter und ein Notarzt den 15-Jährigen versorgten, begaben sich mehrere Streifenwagenbesatzungen im direkten Umfeld der Schule an der Neustädter Straße auf die Suche nach dem 16-Jährigen. Die Sofortfahndung blieb erfolglos. Später trafen Polizisten ihn in der Wohnung seiner Eltern in Billstedt an. Der 16-Jährige wurde vorläufig und unter dem Verdacht einer gefährlichen Körperverletzung festgenommen. Zum Hintergrund des Streits machte er keine Angaben.

In der Schule betreuten Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams die Schüler, die das Geschehen mit angesehen hatten. Auch ein Gewaltpräventionsteam der Behörde für Schule und Berufsbildung eilte in die Stadtteilschule am Hafen. Behördensprecher Peter Albrecht: "Wir werden den Vorfall aufarbeiten. Eine Klassenkonferenz ist einberufen, in der auch beraten wird, welche Maßnahmen jetzt ergriffen werden sollen. Wie die Schüler und Lehrer sind auch wir erschüttert über das, was dort geschehen ist." Laut Albrecht gehört die Stadtteilschule nicht zu den Lehranstalten, die in der Vergangenheit häufiger durch Gewalttaten aufgefallen sind. Allgemein gehe die Zahl der Körperverletzungen an Schulen momentan eher zurück.

Albrecht: "Vergleichbare Zahlen gibt es derzeit nicht, weil erst zum Januar 2012 eine Meldepflicht für derartige Vorfälle eingeführt worden ist." Im Jahr 2010, als es diese Verpflichtung noch nicht gab, waren 50 Fälle von Körperverletzung an die Behörde gemeldet worden. In Hamburg gibt es insgesamt 53 Vorbereitungsklassen für Schüler mit Migrationshintergrund. Innerhalb eines Jahres sollen die internationalen Jugendlichen auf den Regelunterricht vorbereitet werden.

Der Niedergestochene hatte offenbar Glück im Unglück: Er konnte den Weg zum Rettungswagen sogar auf eigenen Beinen bewältigen. Der Stich hatte den Lungenflügel nach Polizeiangaben knapp verfehlt. Bei einem Stich in die Lunge wäre sein Leben akut gefährdet gewesen. Der Täter muss mit einem Jugendstrafverfahren und einem Schulverweis rechnen.