32 Schüler und vier Lehrer verletzt: Zwei Mitschüler sollen Tierabwehrspray gesprüht haben. Schadenersatzforderungen an ihre Familien.

Lohbrügge. Immer wieder verlassen Sanitäter mit Schülern und Lehrern das von der Polizei abgeriegelte Gelände der Stadtteilschule Bergedorf. Einige der Neunt- und Zehntklässler sind blass. Sie halten sich den Hals und husten. Andere sind offenbar so schwach auf den Beinen, dass sie von den Beamten gestützt zu den Rettungswagen gebracht werden müssen. Gegen 14.30 Uhr - zwei Stunden nach dem Gasalarm an der Stadtteilschule - bahnt sich auch noch der Großraumrettungswagen der Feuerwehr den Weg durch den engen Ladenbeker Weg. Wenig später bringt der Bus zehn Schüler ins Krankenhaus Wilhelmstift. Die 14- bis 16-Jährigen klagen - auch jetzt noch - über Husten, schweres Kratzen im Hals, Kopfschmerzen oder Übelkeit. Noch während des Rettungseinsatzes geraten zwei 16-Jährige in den Verdacht, das Chaos verursacht zu haben.

+++36 Menschen in Klinik nach Reizgasalarm an Bergedorfer Schule+++

Es ist 12.20 Uhr, als Schüler im sogenannten Blauen Haus, wo die neunten und zehnten Klassen der Schule untergebracht sind, über einen unangenehmen Geruch, über Halsschmerzen und Schwindelgefühle berichten. Es ist ein stechender Geruch, den die Kinder wahrnehmen - er kommt offenbar von der dortigen Jungentoilette. Umgehend verständigt die Schulleitung die Feuerwehr und lässt vorsorglich den kompletten Gebäudetrakt räumen. 65 Schüler und Lehrer werden zunächst in die Mensa gebracht. Wenig später werden alle anderen - mehr als 1500 Schüler - nach Hause entlassen.

Binnen weniger Minuten wird die Stadtteilschule großräumig abgesperrt. Rund 70 Feuerwehrleute, 30 Streifenwagenbesatzungen der Polizei - zum Teil waren sie aus Poppenbüttel herbeigerast - und ein Zug der Bereitschaftspolizei sind im Einsatz. Welcher Schadstoff freigesetzt worden ist, bleibt jedoch lange offen. Am Abend ist klar: Es handelt sich um Tierabwehrspray, das im Fachhandel frei erhältlich ist. Es wird in kleinen Sprühdosen zu einem Preis ab 4,90 Euro verkauft, funktioniert auf Pfefferbasis und ist eigentlich dazu gedacht, zum Beispiel angreifende Hunde auf Distanz zu halten.

Zwei Namen möglicher Verursacher kursierten bereits gestern auf dem Schulhof. Am Abend bestätigte die Polizei einen konkreten Verdacht gegen zwei 16-Jährige. Sie sollen das Pfefferspray in der Jungentoilette versprüht haben - vermutlich ohne zu ahnen, was sie mit ihrem vermeintlichen Dumme-Jungen-Streich anrichten können. Auf sie und ihre Eltern kommen nun hohe Schadenersatzforderungen und ein Gerichtsverfahren zu.

Irritierend für Hilfskräfte ist, dass eine Schülerin berichtete, bereits am Montag sei ein ähnlicher Geruch in der Schule bemerkbar gewesen, Mitschüler hätten über Kopfschmerzen geklagt. Gegenüber Feuerwehrleuten hatten Kinder ebenfalls bestätigt, dass Mitschüler die Substanz im Toilettenbereich versprüht hätten.

Dass die eingesetzten Notärzte der Feuerwehr tatsächlich bei zahlreichen Betroffenen Befunde festgestellt hatten, unterscheidet den aktuellen Fall von ähnlich gelagerten Ereignissen in der Vergangenheit. Oft hatte es dabei eine Art Dominoeffekt gegeben: Kinder bemerkten Symptome, obwohl sie gar kein Reizgas eingeatmet hatten. "Die meisten haben über Atemwegsreizungen und Übelkeit geklagt", sagt Feuerwehrsprecher Hendrik Frese. 32 Schüler und vier Lehrer sowie Referendare mussten in die Krankenhäuser eingeliefert worden, bilanzierte Frese gestern Abend. Das UKE nahm Patienten aus Lohbrügge auf, ebenso das Bethesda-Krankenhaus, die Asklepios-Klinik Wandsbek und das Kinderkrankenhaus Wilhelmstift. Die meisten Betroffenen hatten die jeweiligen Kliniken aber schon am späten Nachmittag wieder verlassen können.

Während des Einsatzes waren Schüler und Lehrkräfte weitgehend gelassen geblieben. "Niemand ist in Panik ausgebrochen, die meisten waren ganz ruhig, nur vereinzelt haben vor allem jüngere Schüler mal eine Träne vergossen", sagt Schulleiterin Renate Nietzschmann. "Für die Jüngeren war das gravierendste Problem, dass sie ihre Schulranzen nicht aus den Klassen holen konnten. In denen befanden sich schließlich ihre Fahrkarten." Kindern, die keine medizinische Hilfe benötigten, habe die Schule deshalb eine Fahrkarte gestellt. Andere sind von der Polizei nach Hause gebracht und den Eltern überantwortet worden.