42-Jähriger wollte mit einem selbst gebastelten Elektroschocker seine Frau umbringen - sie überlebte. Frau wollte sich offenbar trennen.

Hamburg. Sie ahnte nicht, was ihr Ehemann im Keller ihres Wohnhauses in Winterhude trieb. Vielleicht glaubte Marlies F. (Name geändert), 44, er schraube mal wieder mit ein paar rostigen Drähten ein Radio zusammen. Zu ihrer Hochzeit 2002 hatte er sie mit einem Hightech-Grill Marke Eigenbau überrascht. Schon als Jugendlicher hatte Thilo F. ein Händchen für Technik.

Doch was der 42 Jahre alte IT-Spezialist von Januar 2012 an in dem Keller baute, hatte mit der Leidenschaft für Tüfteln nichts zu tun, sondern diente der Vorbereitung eines perfiden Verbrechens: Um seine Frau zu töten, hatte er eine Art überdimensionierten Elektroschocker gebastelt. Nachdem er ihr mehrere potenziell tödliche Stromschläge versetzt hatte, verschonte er sie doch. Hätte er nicht von ihr abgelassen - Thilo F. stünde jetzt wegen Mordes und nicht bloß wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht.

Die Inspiration für die Apparatur habe er aus einer Studie über die Wirkung von Stromschlägen auf Schweine, die Bauteile habe er sich aus einem Elektronikhandel besorgt, erzählt Thilo F. vor Gericht. Drei Minuten, so habe er gelesen, reichten aus, um bei den Tieren ein tödliches Herzkammerflimmern auszulösen. Für die zur Tötung seiner Frau notwendige Stromstärke habe er diese Daten einfach nur auf ihr Körpergewicht umrechnen müssen.

Unter Tränen erzählt Thilo F., wie es so weit kommen konnte. Erzählt von der "schönen Zeit", nachdem sie sich 2001 in einem Hamburger Geldinstitut kennengelernt hatten, wie sie rasch in eine Wohnung zogen, von dem Glück, als ihr erster Sohn geboren wurde. Das war 2004, 2006 kam bereits der zweite - es waren Wunsch- und Problemkinder zugleich. Beide Kinder litten unter leichten Entwicklungsstörungen, mussten zum Logopäden und Ergotherapeuten. Er sei daher später in Teilzeit gegangen, da hätten die Eheprobleme begonnen. "Ich musste mich ständig rechtfertigen, weil ich alles falsch gemacht haben soll", sagt er mit stockender Stimme. Marlies F. habe nur "gemeckert" und sich emotional von ihm entfernt. Seit zwei Jahren sei im Bett nichts gelaufen. Jedes Wort habe seine herrische Frau ihm im Mund umgedreht. Als er von einem Freund erfahren habe, dass sie sich von ihm trennen wollte, habe er sich machtlos gefühlt. "Ich sah nur eine Chance, meine Kinder zu behalten: Ich musste meine Frau töten."

An jenem Abend, es war der 28. Februar, ging Thilo F. in den Keller und holte die Apparatur, die Türen zu den Zimmern seiner Söhne zog er zu, sie sollten nichts mitbekommen. Um 4.15 Uhr schlich er zu ihrem Bett, nackt bis auf die Strümpfe. Erst nach einigem Zögern verrät Thilo F., dass er Nylonstrümpfe für Damen trug - um sich in eine für die Tat erforderliche "aggressive, sexuelle Grundstimmung zu bringen". Auf dem Rücken trug er einen Rucksack, darin der Akku mit dem Transformator, um seine Finger waren die an den Enden abisolierten Kabel gewickelt. Zum Schutz vor dem Strom trug er Gummihandschuhe und darüber triefend nasse Stoffhandschuhe - um die Leitfähigkeit zu erhöhen. Er legte die Elektroden auf ihren Brustkorb, dann peitschte der Strom durch ihren Körper. Mehrere 100 Milliampere bei 230 Volt Spannung. Seine Frau habe sich unter heftigen Zuckungen gewehrt und geschrien. Und habe geschworen, ihn nicht zu verlassen. Da habe sie ihm leid getan. "Höchstens 15 Sekunden" habe die Tortur gedauert, dann habe er sie gebeten, die Apparatur durch einen Schalter an seinem Fuß auszustellen. Auf die Frage der Richterin, warum er den Strom nicht deaktiviert habe, zuckt Thilo F. nur mit den Achseln - "keine Ahnung." Nach der Tat habe er vergeblich versucht, sich im Stadtparksee umzubringen, und sei dann nach Lüneburg geflüchtet. Als er mit einem Freund darüber sinnierte, wie es wohl wäre, sich ins Ausland abzusetzen, nahm ihn die Polizei in einer Kneipe fest. Er kam, suizidgefährdet, direkt in die Psychiatrie.

Und nun steht er vor Gericht. Ein gebrochener Mann, von Weinkrämpfen geschüttelt, von einem Psychiater begutachtet, von langer Haft bedroht. Zudem fordert seine Frau, die als Nebenklägerin auftritt und die Scheidung eingereicht hat, seinen Anteil an der Eigentumswohnung in Winterhude. Als Schmerzensgeld. Ob es ihm nicht doch um die zwei Lebensversicherungen seiner Frau in Höhe von 230 000 Euro gegangen sei, fragt der Anwalt von Marlies F. "Nein, das war nicht mein Motiv", sagt der Angeklagte. Ob er sich Gedanken um die Beseitigung der Leiche gemacht habe? Kopfschütteln. Der Anwalt: "Wollten Sie die Tat wie einen natürlichen Tod durch einen Herzinfarkt aussehen lassen?" Der Angeklagte: "Ich wollte nur meine Kinder behalten." Seit Februar befindet er sich in U-Haft, seitdem hat er keinen Kontakt zu seinen Söhnen, um die es ihm angeblich gegangen ist. Der 42-Jährige hat alles verloren - seine Kinder, seine Frau, seine Freiheit. Der Prozess wird fortgesetzt.