74-Jähriger wollte offenbar Verurteilung seiner Neffen rächen

Hammerbrook. Erst vor vier Tagen warnte der Richter die beiden verfeindeten montenegrinischen Großfamilien im Hamburger Landgericht: "Hier ist Blutrache eine erhebliche Straftat, die man nicht mit Roma-Traditionen entschuldigen kann." Wenige Minuten zuvor waren die Brüder Renat, 31, und Semso S., 35, wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das Opfer, der 21-jährige Robert R., war im Oktober 2010 während einer Fehde der beiden Clans durch einen Bruststich getötet worden.

Der Onkel der Brüder, die nun sechs sowie vier Jahre und neun Monate im Gefängnis sitzen werden, nahm die Warnung des Richters offenbar nicht ernst. Am Freitagmorgen, nur einen Tag nach der Urteilverkündung, begegnete Arif S. in der Ausländerbehörde an der Amsinckstraße der Mutter und der Schwester des Opfers. "Es war ein zufälliges Aufeinandertreffen", sagt Polizeisprecher Holger Vehren. In dem Amt drohte der 74-Jährige den Frauen, ihnen und ihrer Familie etwas anzutun - vermutlich aus Rache dafür, dass seine Neffen nun Jahre hinter Gitter verbringen müssen. Auch die Familie des Opfers hatte ihrerseits den nun verurteilten Mitgliedern des S.-Clans wiederholt mit Blutrache gedroht. Eilig verließen Nazmina R. und ihre 18-jährige Tochter das Gebäude. Doch Arif S. verfolgte sie. An der Fußgängerampel, direkt vor der Ausländerbehörde, eskalierte die Situation. Arif S. zog ein Messer und stach in Richtung der 38-Jährigen, hatte es auf den Brust- und Kopfbereich der Frau abgesehen. Doch Nazmina R. konnte der Waffe ausweichen. Als Passanten eingriffen, flüchtete Arif S sofort. Die Polizei leitete eine Fahndung nach dem Mann ein, kurz darauf nahm sie den 74-Jährigen am Hauptbahnhof fest. Das Messer stellten die Beamten in der Jackentasche von Arif S. sicher.

"Die Mordkommission hat die weiteren Ermittlungen übernommen", sagt Polizeisprecher Vehren. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft wurde der Mann wegen Verdachts auf versuchte Tötung der Untersuchungshaftabteilung zugeführt.

Ein Ende des Clinches zwischen den Großfamilien ist offenbar nicht in Sicht. Am 5. Oktober 2010 war es zum bisherigen Höhepunkt der Feindseligkeiten gekommen. Auf einem Spielplatz in Eidelstedt hatten die Brüder Robert R. mit einem Messer und Schlägen attackiert. Der 21-Jährige verblutete.