81-Jährige bezichtigte TV-Gebührenkontrolleur des Hausfriedensbruchs, nachdem er ihren Sohn als “Schwarzseher“ enttarnt hatte.

Neustadt. Lisa B. sitzt im Rollstuhl. Nach mehreren Operationen kann sie kaum noch gehen, auch eine Augenoperation, erzählt die 81-Jährige, sei fehlgeschlagen. Klebt sie kein Pflaster über ihr linkes Auge, sieht sie schon mal Doppelbilder. Möglicherweise hat Lisa B. am 29. März nicht ganz klar gesehen - oder die alte Dame lügt vor dem Amtsgericht Mitte, wo sie am Freitag als Zeugin gegen einen wegen Hausfriedensbruchs angeklagten Kontrolleur der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) aussagt. "Ich hatte mit meinem Mittagessen gerechnet, das mir jeden Tag gebracht wird. Als es klingelte, habe ich die Tür geöffnet, und da stand plötzlich dieser Mann vor der Tür", sagt Lisa B.

Er habe sich nicht vorgestellt, sondern sofort ihre Wohnung in Lokstedt betreten, sie angeblich sogar ruppig zur Seite gedrückt. Da sei sie mit ihrem Gehwagen ins Straucheln gekommen und rückwärts auf einen Hocker gefallen. "Er fragte zackig: Bezahlen Sie Rundfunk- und Fernsehgebühren?" Erst als sie nachweisen konnte, dass sie gebührenbefreit ist, sei der Mann verschwunden: "So geht man nicht mit alten, behinderten Menschen um."

Der Angeklagte schildert den Fall völlig anders. Frau B. habe ihn hereingebeten, und sie hätten etwas geplaudert. Dabei habe sie ihm erzählt, dass ihr Sohn und sein Vater jahrelang kein Wort miteinander gewechselt hätten - ein Detail, so der Richter, dass der Angeklagte nur von Lisa B. selbst erfahren haben könne. Obwohl er sie regelrecht bekniet, ihre Aussage zu überdenken, bleibt Lisa B. bei ihrer Version. "Ich wüsste auch gern, woher er diese Geschichte kennt, wir haben uns doch gar nicht unterhalten", sagt sie. Nun droht ihr ein Verfahren wegen Falschaussage.

Möglicher Hintergrund: Kurz nach dem Besuch bei Lisa B. enttarnte der Angeklagte ihren im selben Haus lebenden Sohn als "Schwarzseher", der keine Gebühren bezahlte. Bei einem weiteren Zusammentreffen habe der Lehrer dem GEZ-Mann gedroht, er werde sich beim NDR über ihn beschweren.

Der Richter spricht den GEZ-Kontrolleur frei. "Der Angeklagte hat den Sohn aufgedeckt, der sich dann gedacht haben mag: Angriff ist die beste Verteidigung. Deshalb wurde hier möglicherweise der 'böse GEZ-Mann' bezichtigt", sagt der Richter und zeigt Mitgefühl mit dem Angeklagten: "Ich weiß, dass Sie nirgendwo erwünscht sind."