Blindgänger in Wilhelmsburg bei Bauarbeiten entdeckt. Sperrung rund ums Reiherstiegviertel sorgt für Staus im Feierabendverkehr

Wilhelmsburg. Kindergärten, Seniorenanlagen, Supermärkte und kleine Läden, das Gewerbegebiet an der Industriestraße und fast 1000 Wohnungen: Mehr als vier Stunden dauerte es, bis die Polizei gestern Nachmittag einen Teil Wilhelmsburgs evakuiert hatte, mehr als 7000 Menschen mussten ihre Häuser rund um das Reiherstiegviertel für einige Stunden verlassen. Grund: Arbeiter hatten gegen Mittag eine 500 Pfund schwere amerikanische Fliegerbombe auf dem Gelände der Grundschule Rotenhäuser Damm entdeckt. Sie sollte am späten Abend entschärft werden.

Der Metallkörper war bereits am Freitag auf der Turnhallenbaustelle entdeckt worden. Allerdings konnte der Kampfmittelräumdienst der Feuerwehr erst gestern klären, ob es sich dabei um eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg handelte oder um ein harmloses Eisenteil. Taucher André Kowalski - es war der erste Einsatz des ehemaligen Bundeswehr-Minentauchers für die Feuerwehr - stieg in das mit Grundwasser gefüllte, metertiefe Bauloch und konnte den Blindgänger samt Aufschlagzünder identifizieren.

Polizisten klingelten daraufhin alle Menschen im Umkreis von einem Kilometer aus ihren Wohnungen und Häusern. Mitarbeiter des Bezirksamtes Mitte warnten mit Lautsprecherdurchsagen die Bevölkerung. Als Vorsichtsmaßnahme wurde später sogar die Wilhelmsburger Reichsstraße gesperrt, der Verkehr rund um das Reiherstiegviertel wurde umgeleitet. Daraufhin bildeten sich lange Staus, die Verkehrsbehinderungen dauerten am Abend an.

In der Schule Dratelnstraße richtete die Feuerwehr eine Notunterkunft für 2500 Menschen ein. Die meisten Wilhelmsburger zogen es jedoch vor, im Freien zu bleiben oder die Zeit in einem Café abzuwarten. 21 Bewohner eines Pflegewohnheims wurden in die Unterkunft gebracht, wo sie dann - etwas verloren wirkend - in dem großen Raum auf ihren Stühlen saßen. "Alles lief ganz ruhig ab", sagte Pflegerin Alexandra Malner. "Die Evakuierung dauerte nur eine Stunde", so die 37-Jährige, "von Hektik keine Spur." Das war ihr auch wichtig, um die Bewohner nicht in Unruhe zu versetzen.

Einsatzleiter Stefan Holz war über den mäßigen Andrang in der Notunterkunft nicht überrascht: Es gebe genug Grünflächen in der Nähe, und bei dem schönen Wetter blieben die Leute eben lieber draußen. "Wir haben trotzdem alles aufgebaut", sagte er. "Lieber zu viel als am Ende zu wenig."

Um 20.20 Uhr begann die Entschärfung. Die Bombe sollte mit einem Kran gehoben und der Zünder herausgeschraubt werden. Doch sie steckte fester in der Erde als angenommen. Der Chef des Kampfmittelräumdienstes, Peter Bodes, tauchte deshalb in den Schacht und versuchte die Bombe freizulegen. Die Aktion dauerte bei Redaktionsschluss noch an.