Die Lehrerin war nach der Attacke in psychiatrischer Behandlung. Das Amtsgericht verurteilte die Täterin zu 900 Euro Geldstrafe.

Wandsbek. Die Lehrerin begreift bis heute nicht, was über sie hereingebrochen ist. Die Tür zum Klassenzimmer schwang auf, und da war plötzlich diese Frau, die auf sie zustürmte, schrie und sie brutal zusammenschlug. Die Frau war die Mutter eines Schülers der Förderschule Rahlstedt.

Marianne M., 62, arbeitet seit 40 Jahren als Lehrerin, nie zuvor ist ihr dergleichen widerfahren. Nach der traumatischen Attacke war sie krankgeschrieben und musste in psychiatrische Behandlung. Erst seit vier Monaten arbeitet sie wieder und hat ihr altes Stundenpensum doch noch nicht erreicht.

Für die 62-Jährige ist die Begegnung mit der Täterin, gestern vor dem Amtsgericht Wandsbek, kaum zu ertragen. Da sitzt Liane B. mit züchtig zusammengebundenen Haaren und einem weißen Pullover über der pinkfarbenen Bluse. Man kann sich die 34-Jährige hier und jetzt schwerlich als tobende Furie vorstellen. Und so, wie sie die Tat schildert, muss es wohl ein Prozess mit vertauschten Rollen sein.

Es gab schon zwei Wochen vor dem Angriff Ärger, als die Lehrerin ihren Sohn genötigt habe, seine Spucke vom Schulhof aufzuwischen, sagt Liane B. Am Tag der Tat habe die Lehrerin ihn am Hals gepackt, so habe er es ihr erzählt. Da habe sie Marianne M. zur Rede stellen wollen, doch die Pädagogin habe ein Gespräch abgelehnt und sie rüde am Arm aus dem Klassenzimmer zerren wollen. "Plötzlich schlug sie mir einen Schlüsselbund ins Gesicht", sagt sie. "Ich gab ihr eine Ohrfeige und wir zogen uns an den Haaren." Danach eilten beide Frauen zum Schulleiter und erstatteten Anzeige bei der Polizei. Doch an eine Wangenverletzung durch den angeblichen Schlag mit dem Schlüsselbund können sich vor Gericht weder der Schulleiter noch ein Polizist erinnern.

Marianne M. ist im Zeugenstand den Tränen nahe. Natürlich habe sie den Jungen nicht am Hals gepackt. Der Schüler habe sich in der Pause am Kiosk vorgedrängelt, da habe sie ihn erst ermahnt und dann an der Schulter gezogen. Stunden später sei Liane B. ins Klassenzimmer gestürmt, habe ihr ins Gesicht geschlagen und ein Büschel Haare ausgerissen. "Ich hatte eine Scheißangst", sagt die 62-Jährige.

Weil die Versionen zu weit auseinanderliegen, das Gericht am Ende der verletzten Lehrerin glaubt, endet der Fall statt mit einer Einstellung mit einem Urteil. Die Schule hat der Hartz-IV-Empfängerin ein Hausverbot erteilt, nun muss sie auch noch 900 Euro Geldstrafe zahlen. Die Richterin spart nicht mit Tadel. "Der Vorfall macht fassungslos." Kritiklos habe sie ihrem Sohn die Mär vom Übergriff der Pädagogin abgekauft. "Wo kommen wir hin, wenn Eltern auf Lehrer losgehen, nur weil die zu Recht ihre Kinder maßregeln."