Der 36-Jährige steht wegen schwerer sexueller Nötigung vor Gericht. Sein Verteidiger ist der bekannte Kachelmann-Anwalt Johann Schwenn.

Hamburg. Als die Patientin am Morgen in ihrem Krankenbett aufwachte, wusste sie nicht, was geschehen war. Sie wusste aber, dass in der Nacht etwas passiert war. Etwas, das sie auf keinen Fall wollte. War es Wirklichkeit oder nur ein böser Traum? Wenige Stunden später war die Erinnerung wieder da und Manuela D. überzeugt: Ein Krankenpfleger des Marienkrankenhauses hatte sich an ihr vergangen.

Wenn sich bewahrheiten sollte, was die Staatsanwaltschaft Stefan B. vorwirft, es wäre ungeheuerlich: Der 36-Jährige soll Manuela D. im Januar 2008 erst ein valiumähnliches Medikament injiziert und dann die Brüste der benommenen Frau mit einer nach Eucalyptus riechenden Salbe eingerieben, ihre Hand auf sein Glied gelegt, die Wehrlose also sexuell genötigt haben. Erst auf Drängen ihrer zwei Töchter hin zeigte die 47-Jährige den Mann an.

Nun sitzt Stefan B. vor dem Amtsrichter, mit ordentlich gelegten Haaren und halb geöffnetem Hemd, äußerlich unbeeindruckt. Er sitzt nur und schweigt, alles andere lässt er ein juristisches Schwergewicht machen. Mit Johann Schwenn hat Stefan B. einen der auf dem Gebiet der Sexualdelikte profiliertesten Verteidiger Deutschlands an seiner Seite.

Ebenso angriffslustig wie eloquent, nicht uneitel, aber unbestritten kompetent, gilt Schwenn als Wunderwaffe in scheinbar aussichtslosen Fällen, mitunter auch als harter Stresstest für Richter und Staatsanwälte. Aktuell vertritt der Hamburger den TV-Moderator Jörg Kachelmann - und inzwischen sieht es gar nicht mal mehr so schlecht aus für den wegen Vergewaltigung angeklagten Wetter-Mann.

Wo Schwenn auftaucht, ist Ärger nicht fern. Gleich zu Beginn feuert er dem Richter einen Befangenheitsantrag vor den Bug. Warum müsse sein Mandant auf dem Gerichtsflur an den Fotografen vorbei, während das mutmaßliche Opfer privilegiert und sicher geschützt im Zeugenzimmer verweilen dürfe?, will Schwenn wissen. Hier werde die Unschuldsvermutung missachtet. Da grollt der häufig als "Rambo-Anwalt" Geziehene, wenig später greift er den Richter ob seiner Art der Zeugenvernehmung frontal an. "Können wir uns darauf einigen, dass ich die Strafprozessordnung anzuwenden weiß?", fragt der Richter spitz. "Das habe ich gelernt." Schwenn: "Offenbar nicht mit Erfolg." Der Richter: "Dafür dürfen Sie sich jetzt entschuldigen." Schwenn bockig: "Ich denke gar nicht dran."

Sein Mandant schweigt zu den Vorwürfen, auch deshalb dürfte ein Schuldnachweis schwer zu erbringen sein. Zu diffus sind die Zeugenaussagen, zu vieles ist unklar oder ungeklärt. Nebenklägerin Manuela D. war im Januar 2008 mit einem schweren Darminfekt ins Marienkrankenhaus eingeliefert worden. Wer sich ihr näherte, durfte das nur im Schutzanzug. Sie erhielt laut Krankenakte nur Kochsalz-Infusionen, sonst nichts. Trotzdem wiesen die Ärzte nach der Tat Spuren einer valiumähnlichen Substanz in ihrem Urin nach. Nur, wie kam das Zeug in ihren Körper?

Stefan B. sei der Letzte gewesen, der etwas in den Tropf injiziert habe, sagt ihre Tochter als Zeugin gestern unter Tränen aus. Ihre Mutter habe ihr gleich am nächsten Morgen von den Übergriffen berichtet. Unmittelbar nach der Infusion sei der 47-Jährigen auch schon schummrig geworden, ganz schwach und matt habe sie sich gefühlt. Zunächst habe ihre Mutter geglaubt, all das nur geträumt zu haben, sagt sie. Doch durch den Mentholgeruch an ihrem Schlafanzug seien die Erinnerungen wieder zurückgekommen: Dass der Krankenpfleger in der Nacht ihre Brüste massiert und ihr ins Ohr gestöhnt habe "Du bist so geil."

Viele Fragen sind indes noch offen. Werden am Ende die Zweifel überwiegen? Womöglich war Stefan B. nicht der einzige, der Zugang zum Krankenzimmer hatte, wie eine Ärztin, 34, berichtet. Womöglich stand eine nach Menthol riechende Schmerzsalbe auf dem Tisch neben dem Krankenbett, wie in den anderen Zimmern der Klinik auch. Womöglich wird Johann Schwenn, wenn am Dienstag fortgesetzt wird, auch diesen Fall für sich entscheiden.