Hamburg. Wer Uwe Maeffert, 67, öfter vor Gericht erlebt, der weiß: Der Verteidiger kann aufdrehen, zumal, wenn er sich gereizt fühlt. Schon dann, wenn Maeffert auf moderater Betriebstemperatur läuft, bekommen Zeugen seine – zurückhaltend ausgedrückt - robuste und zupackende Art zu spüren. Aber auch bei den Richtern ist der renommierte Strafverteidiger für seine Lust am Hauen und Stechen berühmt wie berüchtigt. Maeffert akkumuliert Gegensätze, er polarisiert und nutzt die gesamte Klaviatur der Strafprozessordnung für seine Zwecke. Den einen gilt er als diskussionsfreudig, anderen als wortklauberisch. Was dem einen ein Nachweis von Rechtskunst, ist für die anderen pure Pedanterie. Und was für manche nach Arroganz riecht, sieht für andere von unten vielleicht nur so aus.
Ein gewieftes Schlitzohr ist Maeffert allemal. Eine im besten Wortsinn brillante Nervensäge, die das Taktieren im Gerichtssaal mit der Muttermilch aufgesogen zu haben scheint. Einer, der auch rhetorisch mit allen Wassern gewaschen ist. „Er darf der Schrecken der Justizmaschinerie genannt werden“, schrieb die „Zeit“. „Sein Sarkasmus, sein Sophismus, seine Schmähreden - sein rhetorisches Arsenal treibt die Protagonisten dieses Systems in die Verzweiflung.“
Staatsanwälte haben schon Zeugen weinend und völlig ausgelöst aus dem Gerichtssaal hasten sehen. Maeffert baut einen gigantischen, einen zermalmenden Druck auf, mit einer Beharrlichkeit, die zuweilen an religiösen Eifer erinnert. Wollte man das in der Schrift abbilden, man müsste hinter jedes Wort ein Ausrufezeichen setzen. Ein bisschen erinnert er an Fußballspieler wie Ruud van Nistelrooy: Der kann schön, der kann aber auch harte Kante - miese Fouls eingeschlossen, aber von der Spielweise her meist effizient.
Gestern, vor dem Amtsgericht Barmbek, reizt Uwe Maeffert seine Rechte als Verteidiger mal wieder bis zur Schmerzgrenze aus. Laut Anklage soll sein Mandant Peter H., 62, einen betrügerischen Treuhandvertrag über 100.000 Euro mit Manuela S., 33, geschlossen, das Geld aber nicht wie versprochen angelegt, sondern für sich selbst verwendet haben. Manuela S. ist seit einem Unfall in einem Karussell auf dem Hamburger Dom vor elf Jahren schwerbehindert. Die 500.000 Euro Schmerzensgeld, die sie nach einem siebenjährigen Rechtsstreit von der Generali-Versicherung erhielt, flossen in den Bau eines Eigenheims in Duvenstedt. Dabei lernte sie auch Peter H. kennen und vertrauen. Als sie 12.000 Euro für eine behindertengerechten Küche benötigte, so erklärte sie vor Gericht, habe ihr Peter H. das Treuhandmodell als vermeintlich risikofreie Kapitalanlage offeriert. Das Geld habe sie jedoch nie wiedergesehen. Um ein Haar hätte sie die Rate an den Bauunternehmer nicht mehr bedienen können.
Die Erregungskurve steigt an diesem dritten Verhandlungstag gleich am frühen Morgen. Am Tag zuvor hatte Maeffert erklärt, sein Mandant bestreite den Tatvorwurf, außerdem sei der Treuhandvertrag eine Fälschung, ein Grafologe werde schon nachweisen, dass die Unterschrift auf dem Papier nicht die seines Mandanten sei. Oliver Pragal, Rechtsbeistand von Manuela S., will wissen, ob das von Maeffert Gesagte tatsächlich auch die Einlassung seines Mandanten ist – doch Peter H. schweigt dazu. „Damit waren die Angaben nicht verwertbar“, sagt Pragal.
Manuela S. sagt als Zeugin aus. Sie ist nicht zu beneiden. Maeffert reagiert schnell unwirsch, verdreht die Augen, seine sehr sanfte und angenehme Stimme droht dann zu kippen. „Ich bitte sie doch nur, auf meine Frage zu antworten: JA! ODER! NEIN!“ Dieser aggressive Duktus kann durchaus einschüchternd wirken. Später wird er die junge Frau bitten, es zu unterlassen, während der Vernehmung aus einer Flasche Wasser zu trinken. „Meine Mandantin hat durch die Medikamente, die sie einnehmen muss, immer einen trockenen Mund“, sagt Anwältin Marx. Das interessiert Maeffert nicht. „Wenn Frau S. trinken will, machen wir eben eine Unterbrechung.“
Vielmehr interessiert ihn, wie mit dem Dokument, das neben ihm liegt, prozessual umgegangen werden soll. Er hütet es wie einen kleinen Schatz, niemand sonst, nur er, weiß, was darin steht, das Papier liegt nicht in den Akten. Er will es auch mit den anderen Prozessbeteiligten nicht teilen. Würde es Manuela S. bekannt, sie würde, so vermutet er, die Richtung ihrer Aussage ändern. „Sie soll unbefangen antworten.“
Die anderen Prozessbeteiligten verlangen, dass Maeffert das Dokument gemäß Strafprozessordnung zu den Akten gibt, wenn er es denn verwenden möchte – doch der will es partout nicht herausrücken. „Dass Vorhalte aus Unterlagen gemacht werden, die nicht allen Prozessbeteiligten zur Verfügung stehen, ist kafkaesk“, schimpft Pragal.
So entspannt sich eine gut zweistündige Diskussion, die mit hitzig noch zu verniedlichend umschrieben wäre. Maeffert will Manuela S. Vorhalte aus dem Dokument machen und die Nebenklage unbedingt Einsicht erlangen in das Papier. „Ich möchte der Zeugin Fragen stellen, aber das wird hier vereitelt“, sagt er mit bebender Stimme. Es ginge hier doch um Wahrheitsfindung! Außerdem: „Je autoritärer der Staat, desto mehr versucht er die Verteidiger juristisch einzubinden.“
Maeffert redet und redet. Fühlt sich unfair behandelt, in seinen Rechten als Verteidiger beschnitten. Die Gegenseite kontert, nach der Stpo gebiete es die Fairness, dass auch ihnen das Dokument kenntlich gemacht werde. Die Richterin – kurz droht Maeffert mit einem Befangenheitsantrag - , versucht eine Brücke zu bauen: Man könne doch jede Frage vorher schriftlich abfassen und protokollieren, damit sie, die Richterin, die Chance habe, dem Prozess in der gebotenen Weise folgen zu können. Das Dokument könne dann nachträglich von den anderen Prozessbeteiligten eingesehen werden. Das passt wiederum Maeffert nicht. Während einer Zeugenbefragung die Fragen zuvor schriftlich zu fixieren, das ginge wohl an der Sache vorbei. Die Stimmung ist hitzig. Die Richterin: „In diesen Momenten mache ich immer eine Pause.“ Sie spricht ostentativ langsam, fast mütterlich klingt sie.
Nach der Pause ist vor der Pause, und so geht es wieder kräftig zur Sache zwischen den Kombattanten. Der Staatsanwalt, der sich bislang zurückgehalten hat, fühlt sich von Maeffert als „Dilettant“ geziehen. Die beiden Männer mögen sich erkenntlich nicht - Maeffert hat einige Tage zuvor eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn eingeleitet, die inzwischen zurückgewiesen worden ist. „Ich frage mich seit einer Stunde, in welchem Film bin ich eigentlich“, sagt die Richterin später.
Man muss diesem gewieften Schlitzohr Anerkennung zollen. Maeffert hat für seine 67 Lebensjahre genug Elan (oder die Chuzpe), noch ein paar Brennstäbe mehr in diesen Amtsgerichts-Reaktor zu schieben. Als Nebenklagevertreterin Marx kaum hörbar mit ihrem Kollegen Pragal tuschelt, kommentiert Maeffert das mit den Worten „Ich fühle mich in meinem Fragerecht gestört“. Da hat auch die besonnene Anwältin Marx zuviel. Es ist inzwischen zwölf Uhr. „Ich sitze hier seit neun Uhr, und zu 80 Prozent redet nur Herr Maeffert.“ Sie sagt es nicht, sie schreit es.
Es fällt kaum auf, weil es so schnell wieder vorüber ist: Aber die Ungerechtigkeit, die Maeffert hier empfinden will und über die er sich beklagt und die sich (durchaus überzeugend) in seiner angespannten und empörten Miene widerspiegelt, weicht genau in diesem Moment einem Lächeln. Er hat es mal wieder geschafft - ordentlich Bambule im Gerichtssaal.
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