Im Harburger Binnenhafen hat sich nach dem Großbrand ein Brei aus Kautschuk, Öl und Löschschaum gebildet, der die Umgebung bedeckt.

Harburg. Die braune Masse ist überall. Sie klebt an den Schuhen und Hosen, selbst an den Jacken der Einsatzkräfte. Sie ist in die Gullys gelaufen, hat die Siele, die Kanalisation verstopft. In einer bis zu 30 Zentimeter dicken Schicht hat sie sich über die Straßen und Wege in einem Umkreis von knapp 100 Metern rund um die ausgebrannte Lagerhalle gelegt. Es sind die Reste des bei dem Brand an der Nartenstraße in Harburg verflüssigten Kautschuks, der sich zusammen mit Heizöl und Löschschaum zu einem klebrigen Brei verbunden hat.

Bis zu 3000 Tonnen Naturgummi waren laut Feuerwehr in der Halle gelagert - ein Großteil davon verbrannte nicht, flutete mit dem Löschwasser das Betriebsgelände, die angrenzende Nartenstraße und das Hafenbecken. Die Wasseroberfläche ist fast komplett von einer milchigen Flüssigkeit überzogen. "Kautschukmilch" nennen das die Beamten vor Ort, von denen die meisten am Vormittag damit beschäftigt sind, die Fahrzeuge mit Hochdruckstrahlern zu reinigen und die Schläuche aus dem Gummischlamm zu lösen.

Als die Feuerwehr gestern um kurz vor 14 Uhr das Ende des Großeinsatzes bekannt gab - alle Flammen waren erstickt, alle Glutnester gelöscht -, stand bereits die nächste große Aufgabe an: Wie können die Massen an klebrigem Kautschukschlamm wieder entfernt werden? Eine Antwort steht noch aus: Wie das zuständige Bezirksamt Harburg mitteilte, ist eine entsprechende Spezialreinigungsfirma noch nicht gefunden. Angebote würden aber bereits geprüft, sagte Behördensprecherin Petra Schulz.

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"Unser Tiefbauamt muss außerdem herausfinden, ob die Stoffe in den Gewässern durch bestimmte Zusätze gebunden oder abgesaugt werden können. Wir sind dabei auf Fachleute angewiesen." Hinzu komme, dass der Fahrbahnbelag der Nartenstraße durch die große Hitze teilweise zerstört wurde. "Ob der Asphalt ausgetauscht oder erneuert werden muss, ist ebenfalls zu prüfen."

Nach Auskunft der Umweltbehörde habe die Kautschukmischung keine direkte giftige Wirkung. Sie sei nicht ins Grundwasser gelangt, sagte Sprecher Frank Krippner. Bis die Brandstelle und ihre Umgebung saniert seien, werden vermutlich Wochen vergehen. Er forderte alle Harburger auf, Türen und Fenster geschlossen zu halten. In der Luft schwebten weiter Rußpartikel. Gesundheitsgefahr bestehe aber nicht.

Greenpeace-Sprecher Karsten Smid hält dagegen: Die Rußpartikel, die durch den starken Westwind bis hin nach Bergedorf gelangt seien, seien krebserregend, so der Diplom-Ingenieur: "Ruß ist grundsätzlich nicht ungefährlich. Es sollte geprüft werden, in welchen Konzentrationen die Partikel auf landwirtschaftlich genutzte Felder niedergegangen sind." Der Kautschukbrei sollte "abgeschöpft, eingesammelt und entsorgt" werden. Das Gemenge im Binnenhafen müsse getrennt und als Sondermüll entsorgt werden.

Die Feuerwehr zeigte sich mit ihrem fast 24-stündigen Einsatz zufrieden: "Das ist sehr gut gelaufen", sagte Sprecher Martin Schneider vor der völlig zerstörten Halle, deren Mauern fast vollständig eingerissen sind. Intern sprach man von einer "taktischen Meisterleistung", dass alle angrenzenden Gebäude, aber auch eine nahe Tankstelle, vor dem Feuer bewahrt wurden.

In den Nachtstunden waren die mehr als 1000 Grad Celsius hohen Temperaturen am Brandherd so weit gesunken, dass Löschschaum zum Einsatz kommen konnte. Am Morgen war das Feuer unter Kontrolle. Größere Probleme gab es nicht, so Schneider. Als das Löschwasser knapp wurde, habe man die beiden Hafenlöschboote in Dienst genommen, die ausreichend Wasser aus dem Hafenbecken gepumpt hätten. Insgesamt seien mehrere Millionen Liter Löschwasser und 40.000 Liter Löschschaum zum Einsatz gekommen.

Trotz der positiven Bilanz hat die Feuerwehr am Montag offenbar ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. "Hätte es in Hamburg einen weiteren Großeinsatz gegeben, wäre dieser kaum zu bewältigen gewesen", sagt Wilhelm Mähler, Chef der Fachgruppe Feuerwehr bei der Gewerkschaft Ver.di. Es wäre vermutlich zu Zeitverzögerungen gekommen, es hätten zu wenige Fahrzeuge und Einsatzkräfte zur Verfügung gestanden. Bereits bei dem Großbrand im Binnenhafen war die Hälfte der rund 250 Einsatzkräfte von der freiwilligen Feuerwehr. "Der Großeinsatz am Montag zeigt die dramatische Situation", sagt die Ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Frieß. Genauer gesagt: den Personalmangel. "Auf keinen Fall darf es weitere Einsparungen geben", sagt sie. Die Feuerwehr sei eh schon ausgedünnt - und das gehe zulasten der Einsatzkräfte und letztlich der Bürger.

Warum das Feuer in dem knapp 3000 Quadratmeter großen Kautschuklager am Montagnachmittag ausbrach, ist indes noch immer unklar. Brandermittler des Landeskriminalamtes haben ihre Arbeit aufgenommen.