Einbrecher haben das Haus von Petra Schoenrock auf den Kopf gestellt. Und ihr Leben. Die Angst steckt ihr “immer noch in den Knochen“.

Hamburg. Petra Schoenrock zuckt immer noch zusammen, wenn es spätabends an ihrer Haustür klingelt. Schaut nervös aus den Fenstern des allein stehenden Einfamilienhauses in Bergedorf, wenn draußen die Licht-Bewegungsmelder anspringen. Am schlimmsten sei es immer am 2. Oktober. Dem Tag, an dem bei der 45 Jahre alten Friseurmeisterin eingebrochen wurde. "Sie ist kleiner geworden. Die Angst, dass wieder jemand in mein Haus eindringt. Sie besitzt mich nicht mehr. Aber sie steckt mir immer noch in den Knochen", sagt Petra Schoenrock. So wie den 2499 Hamburgern, die allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres Opfer von Einbrechern geworden sind (wir berichteten).

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Am 1. Oktober 2005 fliegt Petra Schoenrock mit ihrem Sohn Till in den Urlaub nach Fuerteventura. Die beiden freuen sich auf die gemeinsamen Stunden am Meer. Doch nach vier Tagen erhält sie einen Anruf von ihrem Bruder. Er hat schlechte Nachrichten, erzählt, dass bei ihr eingebrochen worden ist. Die Mutter habe die eingeschlagene Tür entdeckt und die Polizei alarmiert. "Im ersten Moment habe ich das gar nicht realisieren können. Aber dann habe ich nur noch geweint." Unerträglich seien die Tage bis zum Abflug gewesen. Selbst im Speisesaal zwischen den fröhlichen Urlaubsgästen seien ihr die Tränen gekommen. "Ich musste daran denken, wer mir das angetan hat. Wollte sehen, was bei mir zu Hause los ist."

Als sie zu Hause ankommt, sieht sie als erstes die Scherben vor ihrer Haustür. Und das Riesenloch in der Tür. Mit einer Spitzhacke haben sich die Täter Zugang verschafft. "Mein Schlafzimmer war völlig verwüstet. Die Einbrecher hatten alle Schubladen herausgerissen. Meine Unterwäsche lag überall verstreut herum." Die habe sie sofort in den Müll geworfen. "Geklaut haben die Einbrecher mein Auto, ein Mercedes-Cabriolet. Etwa 600 Euro, die ich in einer Dose in der Küche versteckt hatte. Einen Laptop. Uhren. Eine Videokamera. Meinen Schmuck." Petra Schoenrock klingt gefasst. Sie zählt die Dinge, die ihr genommen wurden, nüchtern auf. Als lese sie eine Einkaufsliste für den Supermarkt vor. "Das Auto und das Geld waren mir fast egal. Aber dass die Diebe Erinnerungsstücke an meinen verstorbenen Mann mitgenommen haben - das war für mich das Schlimmste", sagt die Frau, die vor zwölf Jahren Witwe wurde. Traurigkeit schwingt in ihrer Stimme mit, als sie sagt: "Die zwei goldenen Siegelringe mit dem Familienwappen meines Mannes und seine Münzsammlung sind für mich unbezahlbar. Einfach unersetzbar." Schließlich habe auch das Geld der Versicherung, die den Wert aller gestohlenen Gegenstände geschätzt habe, die Münzen und Ringe nicht zurückbringen können.

Zum Glück hätten die Einbrecher nicht den Ehering ihres Mannes in die Finger bekommen. "Den habe ich in einem Schließfach bei der Bank deponiert." Dort gehe sie öfters mit ihrem Sohn hin. Um ihm den Ring zu zeigen, den Till eines Tages bekommen wird. Fast klingt es, als seien die zwei dem Verstorbenen dort bei dem Schließfach besonders nah.

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Ihrem 12-jährigen Sohn nah zu sein, ist Petra Schoenrock wichtig. Vor allem nachts. "Seit dem Einbruch schlafen wir immer in einem Zimmer. Weil ich ihn schützen will." Sie hätte Angst, ihm nicht helfen zu können, falls noch mal ein Einbrecher käme und Till in seinem eigenen Zimmer schlafe. "Es hat sich eben viel verändert seit dem Einbruch." Zu Anfang habe sie häufig Albträume gehabt. Davon, dass wieder ein Fremder ins Haus kommt. "Dass diesmal etwas Schlimmeres passiert." Es ist klar, was sie mit "Schlimmeres" meint. Aber aussprechen tut sie es nicht.

In den ersten drei Jahren habe sie oft darüber nachgedacht, umzuziehen. "Aber ich habe so viel Liebe in dieses Haus gesteckt. Und mein Sohn hängt an seinem Zuhause." Und auch ihr sei ein Neuanfang in dem Haus gelungen. "Ich habe alle Räume neu gestrichen, alle Möbel verrückt. Nichts steht mehr da, wo es vorher war", sagt die Frau mit den langen blonden Haaren. "Es klingt verrückt, aber es war wie eine Seelenreinigung." Sie muss vergnügt lachen bei diesen Worten. Vielleicht auch, weil sie sich freut, dass ihre Angst immer weniger wird. Geholfen hat ihr dabei der Weiße Ring, bei dem sie sich beraten ließ. Die Opferhilfe hat sie dabei unterstützt, den Einbruch zu verarbeiten. Geschnappt hat die Polizei die Täter, die Petra Schoenrocks Leben auf den Kopf gestellt haben, nie. "Die Polizei vermutet, dass es mindestens zwei Personen waren. Alles andere ist unklar." Die alleinerziehende Mutter ist nicht die einzige, die nicht weiß, wer bei ihr eingebrochen hat. Die Aufklärungsquote sank von neun Prozent im ersten Quartal 2009 auf aktuell 4,4 Prozent.

Vergessen kann Petra Schoenrock den Einbruch nicht. Die Angst, die ab und zu immer noch in ihr hochsteigt, kann sie nicht abschütteln. Aber sie blickt optimistisch in die Zukunft: "Es geht immer weiter bergauf."