Im Rathaus werden heute 50 Polizisten ihren Eid auf die Hamburgische Verfassung ablegen. Sie haben große Ziele. Drei von ihnen erzählen.

Hamburg. Ihren ersten echten Einsatz hatten sie bei der jährlichen Saubermach-Aktion "Hamburg räumt auf". Bezeichnend irgendwie. Schließlich werden (auch) sie es sein, die zukünftig für Sicherheit und Ordnung auf Hamburgs Straßen, auf Gewässern, dem Kiez und den Brennpunkten der Stadt sorgen sollen.

Heute stehen sie auf der Rathaustreppe: Drei von 50 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern, die vor Innensenator Christoph Ahlhaus und Polizeipräsident Werner Jantosch ihren Eid auf die Hamburgische Verfassung ablegen. Im Verlauf des Bewerbungsverfahrens haben sie sich gegen mehr als 2000 Mitbewerber durchgesetzt. Im Abendblatt erzählen sie, warum sie sich für einen Beruf entschieden haben, der sie für manche zum Feindbild macht und der untrennbar mit Gefahren und Konfrontation verbunden ist.

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Eins eint sie alle drei: Francisca Hunger, Nina Brkic und Timo Ehm erzählen, sie hätten, und dies sei wohl der Hauptgrund, von Kindestagen an ein starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit verspürt. Und dies auch umgesetzt. "Ich konnte es in der Schule nie ertragen, wenn jemand gemobbt wurde", sagt Francisca Hunger, 25. Nina Brkic, 21, und Timo Ehm, 20, geht es ähnlich. Lag die Jobwahl "Polizist" da nahe? "Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich beruflich machen soll", sagt Nina Brkic. 2007 schrieb sie in Berlin an ihrem Abitur - noch ohne konkreten Berufswunsch.

Freunde und ein Kripo-Praktikum brachten sie auf die Idee. Die 21-Jährige erläutert: "Als ich mich erst mal mit dem Gedanken befasst hatte, war mir plötzlich sonnenklar, dass ich geradezu zur Polizei muss." Die Berlinerin bewarb sich in Hamburg - des guten Rufs wegen, den die Ausbildung der hansestädtischen Polizei genießt.

Francisca Hunger hat schon einen Beruf: Die 25-Jährige ist gelernte Sport- und Fitness-Kauffrau. "Ich habe nach der Ausbildung ein Jahr gearbeitet, als mir klar wurde, dass ich mich selbstständig machen muss oder einen neuen Job brauchte.

Und der sollte abwechslungsreicher sein, fordernd, fördernd und dabei weiterhin sportorientiert", sagt sie. Im Sommer 2009 bewarb sie sich schon einmal: Sie war eigentlich schon drin im Kurs, als doch noch die Absage kam. Doch wegen ihrer guten Punktzahl bei den Tests bekam sie die Zusage, im Frühling 2010 starten zu können.

Timo Ehm, mit 20 Jahren der Jüngste in der Runde, erfuhr am 28. September, dass er am 1. Februar 2010 Polizeimeisteranwärter auf Widerruf werden würde. Er erinnert diesen Tag so genau, weil der Brief mit der Zusage ihm den Wehrdienst ersparte. Der hätte drei Tage später begonnen. In Goslar. Timo Ehm war folglich doppelt froh: "Ganz ehrlich, im Moment kann ich mir keinen besseren Job vorstellen", sagt er. Man hat Kontakt mit Menschen, jeder Tag ist anders, und bei der Wirtschaftslage ist ein bisschen Sicherheit ja auch nicht verkehrt!" Weshalb er wie alle anderen erfolgreichen Prüflinge heftig geschuftet hat.

Allein der Sporttest im Auswahlverfahren: 12-Minuten-Lauf, Standweitsprung, Hindernisparcours, der Kasten-Bumerang-Test, bei dem die Koordinationsfähigkeit unter hoher Belastung überprüft wird. Das alles und noch viel mehr mit minimalen Rekonvaleszenzphasen. Wer aufgibt, ist raus. Dazu der Wissenstests, schriftlich. Wer beides besteht, kommt zum Verhör: Ein 45-Minuten-Gespräch, auf das sich vorzubereiten fast unmöglich ist. Es kann um Wissen gehen, um Charakterstärke, um ethisch-moralische Überzeugungen. Man weiß es nicht. Doch nur wer hier überzeugt, wer glaubhaft machen kann, dass er es ernst meint mit dem Freund-und-Helfer-Sein, der kommt hier weiter. Ein Kandidat für den aktuellen Jahrgang erfüllte alle Aufgaben mit Bravour - bis die Ausbilder entdeckten, dass er ein gewaltverherrlichendes Tattoo auf dem Rücken trug und nichts davon erzählt hatte. Er flog.

Seit dem 1. Februar läuft die Ausbildung der jungen Nachwuchspolizisten von Kurs "371 Sch/108 WS". Inzwischen sind die jungen Absolventen verbeamtet. Erfahrungen mit echter Gewalt, nächtelangen Schichten, fliegenden Flaschen und Steinen haben sie noch nicht gemacht.

Und so ist es im Moment die Angst, eines Tages die Waffe gegen jemanden richten zu müssen, die alle drei Polizeischüler als größte Belastung empfinden. Nina Brki`c hat die ersten Übungen auf der Polizeischießanlage bereits hinter sich. Sie sagt: "Das hat mich einige Überwindung gekostet. Fast war ich ein bisschen überfordert mit der Situation. Da kommen schon Gedanken. Was ist, wenn ich wirklich einmal schießen muss?" Auch Timo Ehm kann sich nicht vorstellen, mit der Waffe auf einen Menschen zu zielen: "Davor habe ich ungeheuren Respekt. Ich denke aber auch, dass, wenn man jemandem gegenüber steht, der einen töten will, sowieso alles instinktgesteuert abläuft."

Es sei ein gutes Gefühl, dass man bei der Polizei heute nicht mehr als Schwächling gelte, "wenn man sich nach einer solch gewiss traumatisierenden Erfahrung Hilfe holt", sagt Francisca Hunger. Die Schleswig-Holsteinerin: "Man wird ja nicht mehr damit alleingelassen, muss kein sonst wie harter Kerl oder eine knallharte Frau sein." Härte. Eine Eigenschaft, die man Cops, Bullen, Schupos, den Kriminalen früher ganz generell zuschrieb, die nach wie vor gern von Fernsehpolizisten hochgehalten wird. Nicht aber das Metier des jungen Nachwuchses. Die Zeiten, in denen Polizisten vor allem dann Karriere machten, wenn sie möglichst Respekt einflößend daherkamen, sie sind lange vorbei.

Der heute zu vereidigende Ausbildungsjahrgang umfasst 20 Frauen und 30 Männer (nachdem es mehrere Jahrgänge gab, in dem der Frauenanteil bei deutlich über 50 Prozent lag). Sechs der Schüler haben Migrationshintergrund. Sie stammen aus der Türkei, dem Iran, aus Polen, Kasachstan, Rumänien und Frankreich. Es sind junge Menschen zwischen 17 und 34 Jahren, die sich nach eingehender Prüfung als passend zum Anforderungsprofil der Hamburger Polizei erwiesen haben: flexibel und belastbar, sportlich fit, geistig rege, durchsetzungsstark, von optisch ansprechendem Erscheinungsbild, und teamfähig sollen sie sein.

Müssen sie sein. Dass der Alltag manchmal hammerhart werden wird, wissen auch Francisca Hunger, Nina Brki`c und Timo Ehm. Sie werden Elend sehen, Hass erfahren und menschliche Kälte spüren.

Nicht abstumpfen, Mensch bleiben. In jeder Situation. Gegenüber "Kunden", aber auch gegenüber den eigenen Freunden und der Familie: Das empfindet Francisca Hunger als eine der größten Herausorderungen am angestrebten Polizistendasein. "Wir haben natürlich eine Pflicht, auch auf uns selbst aufzupassen", sagt die 25-Jährige.

Sie hofft, eines Tages, nach Ausbildung, Bereitschaftspolizei und weiteren Stationen, den gehobenen Dienst ansteuern zu können. Nina Brki`c, die neben Deutsch und Englisch fließend Polnisch und Kroatisch spricht, träumt davon, gegen Drogenkriminalität und für den Schutz Jugendlicher zu kämpfen. Timo Ehm, der schon in der Schule ein schlechtes Gefühl hatte, wenn er mal eine Stunde schwänzte, möchte raus, auf die Straße. Mit Menschen sprechen, Konflikte lösen, vermitteln. Bis sich diese Träume erfüllen, ist es ein langer Weg. Derzeit pauken die Polizisten von morgen tagtäglich in Alsterdorf Politik, Recht, Geschichte, Polizeihistorie und Hamburgkunde. Und natürlich Sport: Laufen, Laufen, Laufen, Boxen, , Handball, Fußball, Turnen. Manchmal wundern sie sich noch über einiges im Alltag des Ordnungshütens: Den PolAbkFi, zum Beispiel - den etwas wunderlichen Polizeiabkürzungsfimmel.