Zwei Männer, die kaum Geld besitzen, versuchten das Finanzamt um einen Vorsteuerüberschuss von 38,6 Millionen Euro zu prellen.

Hamburg. Welch Chuzpe, welch grandioser Nonsens, welch wahnwitzige Idee: Zwei Männer, die kaum einen Cent besitzen, versuchen das Finanzamt um einen Vorsteuerüberschuss von 38,6 Millionen Euro zu prellen. Die bizarre Masche: Sie reichen im Zuge einer Umsatzsteuervoranmeldung eine Scheinrechnung über rund 2,4 Milliarden Euro ein. Könnte ja klappen.

Das klingt wie ein Scherz. Es lässt sich nur mutmaßen, ob die Beamten im Finanzamt Hamburg-Hansa wirklich darüber lachen konnten, als so ein Antrag am 3. Juli 2009 bei ihnen auf dem Schreibtisch landete. Das Amüsement hielt sich offenbar in Grenzen: Das Amt lehnte den Antrag nicht nur ab - es erstattete gleich Strafanzeige.

Nun stehen die zwei Männer, Hans Jürgen F. und Roland Sch., vor dem Amtsgericht, die Anklage lautet auf versuchte Steuerhinterziehung. Roland Sch., ein untersetzter Mann von 42 Jahren, trägt eine getönte Brille und liest mit nuscheliger Stimme vom Blatt sein Geständnis ab. Erzählt von der Gründung einer "Projektentwicklung Limited", von seiner Idee, Investorengelder zu sammeln, um einen "Bohrroboter" zu entwickeln, mit dessen Hilfe sich tief liegende Wasserreservoirs erschließen ließen. Er, der selbstständige Hausverwalter, der 1000 Euro im Monat macht, wollte mit Millionen und Milliarden jonglieren - und das ganz große Rad drehen.

Zusammen mit Hans Jürgen F., so sieht es die Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger von Hans Jürgen F. sieht das anders: Sein Mandant sei kein Mittäter, er sei lediglich ein Gehilfe. Einer, nach dem Roland Sch. schon so lange gesucht habe, um seinen lange geplanten Steuerbetrug zu verwirklichen.

Durch eine Zeitungsannonce sei Roland Sch. auf ihn aufmerksam geworden, sagt Hans Jürgen F. Er hatte selbst eine Firma gegründet, um seine Idee eines TV-Senders für Menschen über 50 zu realisieren. Dafür habe er nach Geldgebern gesucht. Roland Sch. habe Interesse gezeigt und Kapital in Aussicht gestellt. Als Roland Sch. ihn bat, ihm eine Rechnung über den Verkauf und die Lieferung des Bohrer-Projekts in Höhe von 2,4 Milliarden Euro auszustellen, sei er dem "auftragsgemäß" nachgekommen, sagt der Senior. In einer kurzen Mail habe Sch. ihn über das "Projekt" informiert. "Es hieß noch: Damit Sie wissen, was Sie meinem Unternehmen verkaufen", sagt Hans Jürgen F. Groß nachgefragt habe er nicht.

Die Richterin schaut amüsiert in die Runde. Was da überhaupt verkauft worden sei? "Die Rechnung diente nur dem Zweck, die Vorsteuererstattung zu erhalten", sagt der geständige Roland Sch. kleinlaut.

"Ich habe ihm blind vertraut", sagt Hans Jürgen F. Er ist 69 Jahre alt, leidet unter Trunksucht, Schlaflosigkeit und Depressionen. "Ich war damals tagelang dicht", entgegnet er auf die Frage der Richterin, ob ihm nicht schwindlig geworden sei, als er per E-Mail erfuhr, welche Zahl er da in der Rechnung eintragen solle. Ob er denn überhaupt Ahnung von Wasser-Robotern habe? "Ich bin doch kein Ingenieur", sagt Hans Jürgen F. Das ist korrekt: Zuletzt war er Wachmann einer Sicherheitsfirma. Der Prozess wird fortgesetzt.