Am 11. September 2001 erbeutete Michael B. 16.250 Mark. Ein Kamm überführte den Bankräuber. Der DNA-Abgleich ermöglichte die Festnahme.

Hamburg. An ihm war alles vorbeigegangen. Der alkoholkranke Mann hatte am Vormittag eine Flasche Fusel geleert. Es war der 11. September 2001, ein historisches Datum. Der Tag, an dem die Flugzeuge in das World Trade Center krachten und die Welt in Schockstarre fiel. Und Michael B., "zu drei Vierteln voll", wie er heute sagt, beschloss, eine Bank zu überfallen.

Michael B. - 34 Jahre alt, müder Blick, matte Stimme - steht nun, neun Jahre später, wegen schwerer räuberischer Erpressung vor dem Landgericht. Erst im August 2009 waren ihm Ermittler auf die Spur gekommen: Er hatte bei dem Überfall einen Kamm verloren. Die anhaftenden Haare glichen sie durch eine DNA-Analyse mit einer Speichelprobe ab, die Michael B. Jahre später im Gefängnis abgegeben hatte. Ergebnis: Beide Proben stimmten überein. Verwechslung ausgeschlossen.

Michael B. war am 11. September den ganzen Tag mit einem Messer in der Jacke durch Hamburg geirrt. "Ich wusste nicht, wie ich den nächsten Tag überstehen sollte, wollte nur Geld für Alkohol und Kokain", sagt er. Wenige Tage zuvor hatte der Schweißer wegen seiner Trunksucht den Job verloren, war aus der elterlichen Wohnung in eine Obdachlosenunterkunft gezogen. 15 000 Mark Schulden lasteten auf ihm. Drei Minuten vor Filialschluss, um 17.57 Uhr, betrat Michael B. die Sparkasse an der Ottenser Hauptstraße, pirschte sich von hinten an den damals 21 Jahre alten Angestellten Jan R. "Plötzlich hatte ich ein Messer an der Kehle", sagt sein Opfer vor Gericht. "Dann sind wir so zur Kasse gestolpert."

Die Kasse verwaltete damals Rainer S. (54). Zehn Überfälle habe er in 36 Berufsjahren erlebt, sagt der bullige Mann vor Gericht, "dieser war der heftigste". Schon den ganzen Tag habe er ein mulmiges Gefühl gehabt. "Ich hatte den Kollegen geraten, umsichtig zu sein. Es waren kaum Kunden da. Die Menschen saßen ja alle vor dem Fernseher." Kreidebleich sei der junge Kollege gewesen, während der Räuber Kommandos und Schimpfwörter brüllte. "Er schrie: Tüte voll machen, sonst stech ich ihn ab." Michael B. sei dann "ganz gemütlich aus der Filiale geschlendert".

16 250 DM hatte der damals 25-Jährige erbeutet. Das Geld habe er binnen einer Woche für Bordellbesuche, Alkohol und Drogen verprasst, sagt er. Seine Geisel, Jan R., litt unter Angstzuständen - das leider typische Opferschicksal. "Da war ständig die Angst, dass sich jemand von hinten anschleicht. Dass mir das Gleiche noch mal passiert."

Bei beiden Opfern entschuldigt sich der zurzeit inhaftierte 34-Jährige im Gerichtssaal, stellt sogar ein Schmerzensgeld in Aussicht. Rainer S. nimmt die Entschuldigung an, das Geld lehnt er ab. Wer geständig ist und Reue zeigt, punktet - kaum jemand weiß das besser als Michael B., der schon achtmal vor Gericht stand. Er war 18 Jahre alt, als er seinen ersten Raub beging, da litt er bereits unter seiner Alkoholsucht, die er fortan nie in den Griff bekommen sollte. Auf Therapien folgten Rückfälle, auf den Suff Straftaten. "Zu meinem Entsetzen trank er immer mehr Alkohol", sagt seine Mutter (55) vor Gericht. Sie erzählt, wie er 2003 seinen eigenen Vater im Streit niederstach. Auch da war er betrunken. "Er kam nach Hause, es gab Streit, da wurde zugestochen." Das klingt so, als sei es nicht ihr Sohn, sondern irgendeine unheilvolle Kraft gewesen, die zustach.

2007, da war er trocken, verurteilte ihn das Amtsgericht Güstrow zu einer viermonatigen Haftstrafe. Weil es eine günstige Sozialprognose stellte, wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Doch nun hat die Vergangenheit Michael B. eingeholt - seine Reue kommt spät. Der Prozess wird fortgesetzt.