Der “Heiler“ bot an, das Opfer für 20.000 Euro von einer Sehstörung bei Vollmond auf Fehmarn zu heilen. Jetzt geht es um Betrug und Drogenbesitz.

Hamburg. Einiges ist schon verblasst. Am deutlichsten erinnert sich Axel P. noch an den Rausch - nachdem er diese zwei Gewürzgurken gegessen hatte. Sie waren mit dem Rauschmittel LSD versetzt, nur ahnte der 46-Jährige damals davon nichts. Als er auf der Couch lag, die Augen geschlossen, habe er "Lichtlinien" gesehen. "Es war ein unglaublicher Rauschzustand", sagt Axel P. vor dem Amtsgericht. "Was war real? Was nicht?"

Die mit dem Stoff versetzten Gewürzgurken hatte er von Patrick B. erhalten. Der 35-jährige Hamburger muss sich seit gestern vor dem Amtsgericht verantworten, weil er Axel P. um 20.000 Euro betrogen und außerdem noch gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben soll. Der Mann, der sich als "Schamane" bezeichnet hat, sitzt Axel P. im Gerichtssaal gegenüber. Er trägt lange, braune Haare, eine Lederweste, darunter ein violett-schwarzes Hemd. Er wirkt allein durch seine geistige Präsenz, spricht kein Wort. "Er hat versprochen, dass er mein Gehirn neu organisieren würde", sagt Axel P.

Der einstige Zollbeamte hatte im Sommer 2004 bei einem Motorradunfall im Harz schwerste Hirnverletzungen erlitten. Die Folgen waren gravierend: "Ich war müde, hatte Kopfschmerzen und mit einem drastischen Sehfeldausfall zu kämpfen", sagt er. Vor dem Unfall reüssierte er als die rechte Hand des Bürgermeisters von Bad Camberg, nun gestalte er Internetseiten im Bauamt. "Aber ich habe mich mit der Krankheit arrangiert", sagt er.

Damals jedoch nicht. Als er Patrick B. im Sommer 2008 auf Mallorca traf und der ihm eine vollständige Heilung in Aussicht stellte, habe er nur zu gerne nach dem Strohhalm gegriffen. Dass der 35-Jährige, der als Schamane in Brasilien ausgebildet worden sein will, 20 000 Euro für die Wunderheilung verlangte, störte Axel P. nicht. "Ich hatte jede Menge Geld durch die Unfallversicherung."

In Hamburg habe man sich dann am Hauptbahnhof getroffen, 16 000 Euro habe er dort in bar übergeben, den Rest in Raten, sagt Axel P. Anschließend seien sie in ein Ferienhaus auf der Insel Fehmarn gefahren. Bei Vollmond. Denn laut Patrick B. sollte die Schamanen-Therapie da die stärkste Wirkung entfalten. Kritische Nachfragen habe er sich verkniffen, sagt Axel P. "Ich habe mich nicht getraut, er hatte seinen Kampfhund dabei."

Dass er ihm da die LSD-getränkten Gewürzgurken zu essen gab, bringt Axel P. noch heute in Rage. "Ich wusste davon nichts, ich dachte, der will mich heilen." Nach dem Rausch habe er es dann etwas genauer wissen wollen. Der "Schamane", dann auch einstige Kollegen vom Zoll, hätten ihm gesagt, dass es sich bei dem Stoff um LSD handele. An jenem Abend hätten sie später noch eine Marihuana-Pfeife geraucht - darin sollte sich nach Angaben von Patrick B. ein sündhaft teurer Wunderstoff befinden, mit dem er "mein Gehirn reorganisieren" würde, sagt Axel P. "So ein Hormon, das nur bei der Geburt und kurz vorm Tod ausgeschüttet wird. Mir erschien das logisch." Die Wirkung? "Gleich null", sagt Axel P. Genauso wie der Heilerfolg. Der Prozess wird fortgesetzt.