Der Musiker Pauli Kärntner alias Bernd O. muss sich für den sexuellen Missbrauch von zwei Minderjährigen vor dem Landgericht verantworten.

Hamburg. Der Musiker Pauli Kärntner lebt in seiner eigenen, heilen Welt. Einer Welt mit Akkordeon und Blasmusik, Mordsgaudi im Krachledernen und einem Dauerlächeln zum Alpenglühen. Die Welt, in der sein Schöpfer Bernd O. lebt, hat darüber hinaus ihre eigenen Gesetze: In dieser Sphäre findet es Bernd O. "völlig normal", dass er das Geschlechtsteil seines Sohnes (2) in den Mund nahm und einem fremden Jungen (8) in einer Blankeneser Sauna an den Penis fasste. Andere Kulturen, meinte er fast anklagend vor dem Landgericht, würden solche Intimitäten mit Kindern nicht verteufeln.

Vor Gericht wirkt Bernd O. wie jemand, der ganz und gar nicht begriffen hat, warum er auf der Anklagebank sitzt. Er lächelt und nickt verständig - selbst als Opferanwältin Marjam Samadzade sein Geständnis von A bis Z zerlegt und eine wahre Philippika hält gegen die "schlampige Arbeit" der Staatsanwaltschaften Kiel und Lübeck. Die Behörden hätten 2002 Ermittlungsverfahren gegen O. wegen des Verdachts auf sexuellen Kindesmissbrauchs zu Unrecht eingestellt.

Vielleicht ist der 41-Jährige gestern doch noch in der harten Realität gelandet. Nebenklage und Staatsanwältin forderten mindestens drei Jahre Haft für den Angeklagten, der sich für den sexuellen Missbrauch der zwei Minderjährigen verantworten muss. Zu halbherzig sei das Geständnis, nicht getragen von Reue und Einsicht, jedoch prozesstaktisch motiviert. Selbst für seinen Verteidiger bleibt fraglich, ob sein Mandant "im tiefsten Innern erkennt", was ihm zur Last gelegt wird.

Die juristischen Breitseiten hat Bernd O. vor allem seinem Prozessverhalten zuzuschreiben. Wieder und wieder hatte ihm die Kammer "goldene Brücken" gebaut. Mal streng, mal flehentlich appelliert, er solle ehrlich zu seiner Tat stehen. Doch beinahe jeder Aussage haftete ein "Ja, aber" an - Bernd O. gestand, dann relativierte er sogleich, bagatellisierte und verharmloste. "Er ging zwei Schritte vor und sieben zurück", sagt Samadzade. Ihr Mandant, das achtjährige Opfer von Bernd O., habe noch immer unter der Tat zu leiden. "Er hat Albträume und knirscht mit den Zähnen."

Alle möglichen Erklärungen hatte O. für die Übergriffe parat. Das naheliegendste Motiv - pädophile Neigungen - hatte er stets verneint. Eine Gutachterin befand hingegen: Wenn nicht nur, so fühle er sich doch auch von Kindern sexuell angezogen - vor allem, wenn Probleme in den Beziehungen mit älteren Frauen auftauchten. "Die Rückfallwahrscheinlichkeit ist durchschnittlich bis hoch." Für Bernd O., der vor seiner Verwandlung in den dauerlächelnden Pauli Kärntner Theologie in Brasilien studierte und das Kanzelrecht besaß, bleibt es nach dem Urteilsspruch am 16. Februar spannend: Die Staatsanwaltschaft ermittelt in einem weiteren Missbrauchsfall gegen ihn.