Ein verzweifelter Mann überfiel mit vorgehaltener Gaspistole eine Tankstelle - um in Haft endlich einen Alkohol-Entzug machen zu können.

Hamburg. Maskiert und mit vorgehaltener Gaspistole hatte er eine Esso-Tankstelle an der Ostfrieslandstraße (Finkenwerder) überfallen. Danach trank Torsten K. vor der Aral-Tankstelle auf der gegenüber liegenden Straßenseite erst mal einen Kaffee, wartete in aller Seelenruhe auf die Polizei. Als die Handschellen klickten, hatte der 42-Jährige sein Ziel erreicht: die eigene Festnahme.

Gestern musste sich Torsten K. vor dem Amtsgericht Harburg wegen Nötigung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Dass er es bei dem Überfall nicht auf das Geld abgesehen hatte, bewahrt ihn vor einer Verurteilung wegen räuberischer Erpressung - dafür wäre er drei Jahre ins Gefängnis gegangen. Mindestens.

"Seit meinem zwölften Lebensjahr bin ich alkoholkrank", sagt der untersetzte Mann mit den blonden, kurzen Haaren und dem Gold-Ohrring. Bis zu acht Liter Bier trinke er - in weniger als vier Stunden. Er hadere jedoch mit seiner Sucht. "Ich will nur eins", sagt der Mann aus Finkenwerder. "Endlich weg vom Alkohol."

Bereits 2006 hatte er eine Entgiftung gemacht - zunächst mit Erfolg. Ein Jahr lang war Torsten K. trocken. Doch zu 25 000 Euro Schulden kamen private Probleme und Depressionen. Als ihn die Sucht wieder fest im Griff hatte, kündigte er 2008 seinen Job als Maschinenführer.

Doch einen Therapieplatz selbstständig zu organisieren, das sei ihm nicht gelungen, sagt der gelernte Bauschlosser. Als er am frühen Morgen des 27. Juli in seiner Wohnung wieder mal becherte, sei ihm klar geworden, wie ausweglos seine Situation war. "Ich war verzweifelt, hatte Selbstmordgedanken", sagt er. Da sei er auf die "verrückte Idee" gekommen, die Tankstelle an der Ostfrieslandstraße zu überfallen. "Das Geld war mir egal. Ich wollte nur festgenommen werden, um den Kopf frei zu kriegen und im Knast zu entziehen."

Gegen 4.40 Uhr stürmt er mit ungeladener Schreckschusspistole in die Tankstelle. Trägt, um nicht erkannt zu werden, eine Maske. "Ich war dort Stammkunde, ohne Maske hätte der Kassierer vielleicht gedacht, dass ich mir einen Spaß erlaube", sagt der Angeklagte. 200 Euro erbeutet er, dann flüchtet Torsten K. mit den Worten "jetzt kannst du die Polizei rufen" zur Aral-Tankstelle auf der anderen Straßenseite. Auch dort kennt ihn der Kassierer, der für ihn das Geld und die Pistole in eine Plastiktüte packen muss. Als die Polizei eintrifft, erleben die Beamten einen äußerst "höflichen" und geständigen Straftäter.

Laut Gutachter war Torsten K. zur Tatzeit nur eingeschränkt schuldfähig. Grund: Der wegen kleinerer Delikte vorbestrafte Täter hatte gut 2,4 Promille Alkohol im Blut und handelte aus einer "ausweglosen Situation" heraus. Auch deshalb lässt die Richterin Milde walten und verurteilt ihn zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.

Vor Gericht gibt sich Torsten K. reuig und motiviert, eine Therapie zu beginnen.

Während der dreimonatigen U-Haft war ihm gelungen, woran er zuvor gescheitert war: Er organisierte sich einen Therapieplatz in einer Lübecker Suchtklinik, entgeht so einer Zwangstherapie im Maßregelvollzug. "Ich werde den Kontakt zu meinen alten Bekannten abbrechen", beteuert Torsten K. "Für mich ist das jetzt ein Neuanfang."

Die Richterin geht indes auf Nummer sicher: Auch nach der Therapie muss Torsten K. nachweisen, dass er seine Sucht unter Kontrolle hat.