“Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern“ lautete die Anklage. Für die Richterin aber kein “klassischer“ Missbrauchsfall.

Hamburg. Vor Gericht sitzt ein besonnener, junger Mann. Er hat eine hohe Stirn und kaum noch Haare. Mit sanfter, beherrschter Stimme hat er dem Amtsgericht erzählt, wie er ein 13 Jahre altes Kind missbraucht hat. Und wie er sich in das Mädchen verliebte. In nicht-öffentlicher Sitzung hat Sven K. die Tat gestanden und damit seinem Opfer, Maria F., eine Aussage erspart.

"Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern", so lautet die Anklage gegen den 28-Jährigen. Um einen "klassischen" Missbrauchsfall handelt es sich nach Ansicht der Vorsitzenden Richterin allerdings nicht. Im Vordergrund hätten K.s Gefühle für Maria F. gestanden, die von "Liebe, Wärme und Emotionalität" geprägt waren.

Kennengelernt hatten sie sich im Kanu-Verein, K. war ihr Trainer. Erst freundeten sie sich an, dann verliebte er sich in das Mädchen, das teilweise seine Gefühle erwidert haben soll. Laut Anklage soll der damals 26-Jährige während eines DVD-Abends und bei einer Regattaveranstaltung ihre Brüste und ihren Bauch gestreichelt, sie einmal mit den Fingern penetriert haben - das genügt, um den Vorwurf des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs zu begründen. Ob sie mit den Handlungen einverstanden war oder nicht, ist unerheblich: Sie war 2007 erst 13 Jahre alt und damit rechtlich ein Kind.

Nach den Übergriffen trafen sich Sven K. und Maria F. weiter, hielten E-Mail-Kontakt. Angezeigt hatte ihn dann auch nicht sie, sondern ein Funktionär des Kanuvereins, ein Polizist. Maria F. hatte sich einem Dritten anvertraut, der die Geschichte nach oben trug.

Er bereue die Taten zutiefst, sagt der angehende Bauingenieur und wendet sich an die inzwischen 15-Jährige, die im Gerichtsaal neben ihren Eltern sitzt. "Es tut mir so leid. Es war ein Riesenfehler. Ich hoffe, du kannst mit der Entschuldigung leben."

Die Vorsitzende will die Tat keinesfalls bagatellisieren, die "besonderen Umstände" rechtfertigen indes kein übertrieben hartes Urteil. Dass Sven K. kein Pädophiler ist, davon ist das Gericht überzeugt. "Wir sind sicher, dass keine Wiederholungsgefahr besteht", sagt die Vorsitzende. Gleichwohl komme er um eine Strafe nicht herum. "Kinder dürfen nicht entscheiden, ob sie eine Sexualität haben oder nicht. Sie als Erwachsener schon."

Vor allem weil K. nie Gewalt anwandte, plädieren Staatsanwalt, Nebenklage und Verteidigung auf einen minderschweren Fall. So sieht es auch das Gericht, das ihn zu einer Strafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Auf eine Auflage verzichtet es. Den Eintrag in das polizeiliche Führungszeugnis dürfe Maria F. getrost als Genugtuung empfinden, sagt die Vorsitzende. Und mit Blick auf den Angeklagten: "Wer stellt Sie damit ein? Eigentlich müssten Sie sich selbstständig machen. Der Fehler wird ihnen lange nachhängen."