Auf dem Parkplatz eines Supermarktes entführte Stephan E. sein Opfer, dann lieferte er sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei...

Hamburg. Auf Krücken, gezeichnet von seinen Schussverletzungen, schleppt sich der 45-Jährige ins Gericht. Nachdem er im April erst einen Mann entführt und sich dann eine halsbrecherische Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert hatte, eröffneten Beamte das Feuer auf ihn. Stephan E. überlebte, allerdings nur knapp.

Seit gestern muss er sich wegen erpresserischen Menschenraubs vor dem Landgericht verantworten. Ihm gegenüber sitzt sein Opfer, der Systemtechniker Andre R. (36). Zur Sache will sich E. nicht einlassen, er habe "keine Erinnerungen". Sein Opfer lassen sie hingegen nicht los: Er habe Déjà-vus, träume schlecht.

Am 8. April stellt R. seinen Opel auf einem Supermarkt-Parkplatz am Alten Teichweg ab. Stephan E. lungert dort herum, irgendwie verdächtig, findet R. Als er zurückkommt und den Einkauf einladen will, steht er plötzlich hinter ihm - mit gezückter Waffe. Dass es eine Gaspistole ist, ahnt der Familienvater nicht. "Er wollte den Autoschlüssel und meine Geldbörse", sagt er. Dann setzt sich E. selber hinters Steuer, fährt zu einer Bank, in der Andre R. 1000 Euro für ihn abheben soll. Doch R. hat Glück, darf allein den Vorraum der Bank betreten. Während E. im Auto auf ihn wartet, alarmiert Andre R. per Handy die Polizei.

Als sich Peterwagen nähern, flüchtet der Geiselnehmer. Rast durch den Hamburger Osten, touchiert mehrere geparkte Autos und knallt an der Kreuzung Billstedter Hauptstraße/Schiffbeker Weg gegen einen Laternenmast. Dort kommt es zu einer wilden Schießerei mit der Polizei. Von drei Schüssen in Bauch und Oberschenkel getroffen, bricht E. zusammen. Eine Notoperation rettet sein Leben. Doch hat E. wirklich geschossen? Der Zeuge Michael U. hatte das Ende der Hetzjagd aus der Nähe erlebt. "Er stieg aus, zog sofort eine Waffe und schoss dann." Gutachter kamen indes zu einem anderen Ergebnis: Demnach hat E. keinen Schuss abgegeben. Unklar ist auch, ob er voll steuerungsfähig war: In seinem Blut fanden sich Spuren von Antidepressiva und Alkohol.

Mit starrer Miene und gesenktem Kopf sitzt E. im Gericht, der Prozess scheint an ihm vorbeizuziehen. Seine Bewegungen: langsam - wie in Zeitlupe. Nur einmal, als er sich bei R. entschuldigt, äußert er sich. Ob ihm die Reue hilft? 16-mal stand er bereits vor Gericht, die Staatsanwaltschaft prüft nun eine Sicherungsverwahrung. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.