Als die Staatsanwältin die grausame Tat noch einmal in allen Details schildert, bricht die Mutter des Opfers im Gerichtssaal zusammen.

Hamburg. Unter Tränen verlässt die Mutter von Kirk M. den Gerichtssaal. Ihr Rechtsbeistand muss sie stützen, Freunde nehmen sie in den Arm, trösten sie. Auch wenn das Ende des Prozesses um den grausamen Tod ihres Sohnes Kirk in Sicht ist - gestern musste sie noch einmal stark sein: Staatsanwältin Britta Bösenberg schilderte in ihrem Plädoyer erneut ausführlich das Martyrium ihres Sohnes. Und beantragte hohe Haftstrafen für die Angeklagten, die seit zehn Monaten wegen Totschlags und räuberischer Erpressung vor Gericht stehen: Für Labinot B. (22) und Yakup M. (20) jeweils neun Jahre, für Gzim L. (22) zwölfeinhalb Jahre. Gemeinschaftlich sollen sie den Schüler Kirk M. schwer misshandelt und erdrosselt haben.

Rückblende: Am Abend des 15. April 2008 bringt Yakup M. Kirk in die Wohnung von Gzim L. in Billstedt. Dort redet Labinot B. mit ihm, er will Drogenschulden eintreiben. Doch als Kirk nicht zahlen will, werden die drei wütend. Sie schmeißen den 17-Jährigen aufs Bett, prügeln auf ihn ein. Die Situation gerät völlig außer Kontrolle: Kirk M. schreit. "Um ihn ruhigzustellen", stopft Gzim L. ihm eine Gemüsezwiebel in den Mund, während Labinot B. ihm eine Hundeleine um den Hals legt und ihn schließlich erdrosselt. Es ist ein langsamer, qualvoller Tod. Danach spielen die mutmaßlichen Täter in aller Seelenruhe "Mensch ärgere Dich nicht" neben der Leiche. Gemeinsam laden sie Kirk in einen Wagen, fahren zu einem Brachgelände der Wasserwerke in Billwerder. Dort übergießen sie seinen Körper mit Benzin und verbrennen ihn.

Gerade mal 45 Minuten dauert das Plädoyer an diesem Morgen im Gerichtssaal. Den Freunden und Angehörigen der Angeklagten steht das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Sie pressen ihre Hände aufeinander - als würden sie für eine milde Strafe beten.

Doch die Anklagevertreterin sieht dafür keinen Grund. Das Trio handelte "kaltblütig und mitleidslos", sagt die Staatsanwältin. Sie hätten einen Menschen auf erniedrigende Weise misshandelt. Hätten ihn aus Wut und Ärger getötet, "nur wegen ein paar Euro". Dabei hätten die Angeklagten auch noch behauptet, sie hätten Kirk M. nicht töten wollen. "Kurz auf den Punkt gebracht: Ein Unfall war es nicht." Auch wenn Mordmerkmale wie Grausamkeit oder Heimtücke fehlen, so befinde sich ihre "verachtenswerte Tat" auf "tiefster Stufe" und schramme nur "haarscharf an Mord vorbei".

Mit dem Strafmaß für Yakup M. und Labinot B. bleibt die Anklage nur ein Jahr unter der Höchststrafe von zehn Jahren nach Jugendstrafrecht. Gzim L., bei dem Erwachsenenstrafrecht angewendet wird, will sie für fast 13 Jahre ins Gefängnis schicken. Totschlag wird mit maximal 15 Jahren geahndet. Gzim L. sei es auch gewesen, so die Anklage, der Kirk M. die Gemüsezwiebel in den Mund stopfte. Im Gegenzug für eine Strafobergrenze von zehn Jahren hatte er schon vor Monaten ein Geständnis abgelegt. Bösenberg: "Das Geständnis war nicht umfassend und nicht in allen Punkten glaubhaft." Nach ihrer Ansicht müsse sich die Kammer daher nicht an die Absprache halten.

Im Laufe des Verfahrens hatten sich die Angeklagten gegenseitig schwer belastet und ihre Tatbeiträge heruntergespielt. Die Anklage lässt indes keinen Zweifel, dass "alle drei ihren Beitrag geleistet haben". Yakup M. habe zwar kein "Tötungsinstrument" benutzt - aber auch nichts unternommen, um Kirks Tod zu verhindern. Auch habe er mitnichten die Wohnung verlassen, als Kirk noch lebte. Zudem habe Yakup M. das Auto für den Transport der Leiche besorgt. Für ihn forderte Bösenberg die gleiche Strafe wie für Labinot B., der Kirk mit der Leine gewürgt habe. Strafmildernd wirke sich aus, dass er ein Geständnis abgelegt und sich in einem Brief bei der Mutter des Opfers entschuldigt habe. Er sei "gewissermaßen zufrieden" mit dem Antrag der Anklage, "wenn es denn bei dem Vorwurf Totschlag bleibt", sagte Jürgen Walczak, der Kirks Mutter in der Nebenklage vertritt. Der Anwalt von Labinot B., Klaus Hüser, bezeichnete das geforderte Strafmaß als "nicht überraschend".

Das Gericht will am 17. September sein Urteil verkünden. Fast ein Jahr nach Beginn der Hauptverhandlung erhält Kirks trauernde Mutter dann endlich Klarheit.