Hamburg. Im Amtsgericht kochte gestern hoch, was Sebastian J., 17, (Name geändert) gern vergessen hätte. Vor vier Jahren soll ihm sein früherer Klassenlehrer Avancen gemacht und ihn, damals 13 Jahre alt, beim Duschen beobachtet haben. Seitdem befindet sich Sebastian J. in Therapie. "Das ist eine Frechheit, dass ich hier erscheinen muss", sagte der Schüler.

Ähnliches empfand auch Stefanie M., 44, die sich im Recht fühlte und schwieg. Angeklagt war die Rechtsanwältin wegen "übler Nachrede": Einst hatte sie den Vater des Jungen im Sorgerechtsstreit gegen dessen Mutter vertreten und dem Oberlandesgericht schriftlich mitgeteilt, die Mutter "bagatellisiere" die sexuellen Übergriffe jenes Lehrers und "verkaufe" den Jungen an seinen Peiniger. Eine ehrenrührige Äußerung - wenn sie denn jeder Grundlage entbehrt.

Zuerst trat Grazyna J. als Zeugin auf. Sie wollte von den Übergriffen auf ihren Sohn nichts geahnt haben. Und doch duldete sie, dass er bei Lehrer Holger L. übernachtete. Aus Sicht der Verteidigung hat die Hartz-IV-Empfängerin als Gegenleistung für den Kontakt Geld vom Lehrer angenommen, der dem Jungen monatlich 40 Euro Taschengeld gezahlt haben soll. Bei der strittigen Äußerung handele es sich also um eine "zugespitzte", aber wahre Tatsachenbehauptung.

Gegen Lehrer Holger L. hatte die Staatsanwaltschaft im Juli 2009 ein Ermittlungsverfahren mangels Tatverdacht eingestellt. Auch der 49-Jährige erinnerte keine Zahlungen an Grazyna J. Ihrem Sohn habe er Mitte 2007 eine Sprachreise nach England finanzieren wollen. Doch Sebastian J. lehnte ab. Stattdessen zahlte Holger L. 850 Euro, damit der Junge seiner Mutter nach Borkum hinterherreisen konnte. Hat sich die Hartz-IV-Empfängerin doch auf Kosten ihres Sohnes bereichert? Doch Geld gegen die "Überlassung" des Jungen, das gab es nach den Zeugenaussagen nicht. Das Gericht verurteilt Stefanie M. wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe von 7000 Euro. Die Anwältin kündigte Berufung an.