Die 34-Jährige Angeklagte muss 500 Euro Schmerzensgeld zahlen. So etwas habe sie in 20 Dienstjahren nicht erlebt, sagt das Opfer vor Gericht.

Hamburg. In den meisten Fällen nimmt der Ärger mit dem Amt ein glimpfliches Ende. Nicht selten sitzt der Frust tief bei denen, deren Anträge zurückgewiesen werden. Tätliche Angriffe auf die Beamten gehören indes nicht zum Alltag in deutschen Amtsstuben.

Für die Sachbearbeiterin Marion G. war die Reaktion der Antragstellerin, 34, denn auch ein Novum. So etwas habe sie in 20 Dienstjahren nicht erlebt, sagt die 46 Jahre alte Verwaltungsbeamtin vor dem Amtsgericht Harburg. Dort muss sich Ayse C., die Antragstellerin, wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Sie hatte am 10. November im Ortsamt Mengestraße (Wilhelmsburg) vorgesprochen, um Wohngeld für ihre Mutter zu beantragen.

Allerdings fehlte deren Vollmacht, die Behörde konnte den Antrag daher nicht weiterbearbeiten. Ayse C. empfand es jedoch so, als hätte die Sachbearbeiterin völlig willkürlich den Antrag auf die Übernahme der Mietkosten in Höhe von 378 Euro verweigert. Auf dem Flur will sie dann noch gehört haben, wie mehrere Sachbearbeiter im Büro über die Sache tuschelten. Dabei habe sich Marion G. abfällig über ihre türkische Herkunft geäußert, habe sie und ihre Mutter als "Schmarotzer", als "Geldabzocker" bezeichnet.

Da sei sie rein ins Büro und habe Marion G. zur Rede gestellt, sagt Ayse C. Zunächst flogen Beleidigungen, dann die Fetzen. "Wie die Katzen" seien sie aufeinander losgegangen, sie hätten sich gekratzt, gekniffen, an den Haaren gezogen und dann auf dem Boden weiter gerauft. Mit einem Bürostuhl, wie ihr die Staatsanwaltschaft vorwirft, sei sie jedoch nicht auf die Beamtin losgegangen. "Ich bin da nur mit dem Fuß dran geraten", beteuert sie.

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Beide Kombattantinnen trugen vom Kampf Kratzspuren im Gesicht davon. Marion G. war drei Wochen krankgeschrieben, von Angststörungen geplagt. Sie könne sich die Eskalation nur so erklären, dass sie Ayse C. nach Hause geschickt habe, weil die keine Vollmacht ihrer Mutter dabei hatte. Weder habe sie den Wohngeld-Antrag abgelehnt, noch Ayse C. beleidigt. Als sie die 34-Jährige verabschiedet habe, habe die plötzlich kehrt gemacht und sei mit den Worten "du blöde Kuh" auf sie zugestürmt, den Aluminium-Stuhl in der Hand. "Wie ein Torwart" habe sie die Attacke abgewehrt, indem sie schützend ihre Arme vors Gesicht hielt.

"So geht das nicht", sagt der Staatsanwalt. Die nicht vorbestrafte Ayse C. hat Glück: 500 Euro Schmerzensgeld muss sie an ihr Opfer zahlen, im Gegenzug stellt das Gericht das Verfahren ein. "Ein gutes Angebot", findet Ayse C.