Ein 73 Jahre alter Rentner verwechselt vermutlich das Gaspedal mit der Bremse. Ein vierjähriger Junge stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus.

Hamburg. Die junge Familie hatte keine Chance: Unvermittelt durchbrach der Renault Laguna am Dienstagnachmittag um kurz nach 13.30 Uhr einen der stählernen Poller, die Parkplatz und Fußweg trennen. Der blaumetallicfarbene Kombi raste mit dem Heck voran und Vollgas in die überraschte Gruppe. Er erfasste die 32-jährige Katerina S., stieß sie zu Boden, schleuderte ihren Bruder, 28, zur Seite und überfuhr ihren erst vierjährigen Sohn Joel, der unter dem Wagen eingeklemmt blieb.

Als die Rettungswagen den großen Parkplatz an der Kirchenallee am Hauptbahnhof mit Blaulicht und Martinshorn erreichten, schlug das Herz des kleinen Jungen nicht mehr. Nur einmal noch konnte es wiederbelebt werden. "Unter Reanimationsbedingungen" wurde er mit einem Rettungshubschrauber in die nahe gelegene Asklepios-Klinik St. Georg gebracht, wie ein Sprecher der Feuerwehr erklärte. Doch die Verletzungen waren zu schwer. Wenig später, kurz nach 15 Uhr, gab die Polizei den Tod des Vierjährigen bekannt.

Ersten Ermittlungen der Polizei zufolge soll der 73 Jahre alte Fahrer des Wagens, Günter S. aus Hamburg, Gas- und Bremspedal beim Ausparken verwechselt haben. Mit dem Heck zum Hauptbahnhof hatte der Mann seinen großen Renault geparkt. Nachdem der 73-Jährige mit einer Begleitung wieder den Wagen bestiegen hatte, brachte er die Automatik-Schaltung des Wagens in die Rückwärtsfahrt-Stellung und gab Gas. Mittlerweile wird aber auch ein technischer Defekt am Auto nicht ausgeschlossen.

Was dann passierte, insbesondere, warum der Rentner seinen Fuß nicht wieder vom Gaspedal nahm, untersucht derzeit der Verkehrsunfalldienst der Polizei, die zudem einen Sachverständigen hinzugezogen hat. Der Wagen beschleunigte in einer Geraden sehr schnell und riss den äußerst stabilen Pfosten aus der Erde, was zeige, welche Geschwindigkeit das Auto zu diesem Zeitpunkt bereits gehabt haben muss, wie ein Feuerwehrmann sagte. Er überfuhr die Familie und kam erst am Geländer des Treppenabgangs zur S-Bahn zum Stehen, wobei er mehrere Fahrräder zerfetzte.

Völlig geschockt mussten Mutter und Onkel des Jungen mit ansehen, wie die Rettungskräfte wenige Meter entfernt um das Leben des Vierjährigen kämpften. Beide überlebten den Unfall mit schweren, aber nicht lebensbedrohlichen Verletzungen. So wurde der 28-Jährige, der nach Abendblatt-Informationen aus Tschechien zu Besuch gewesen sein soll, zudem durch umherfliegende Glasstücke verletzt.

Notfallseelsorger mussten nicht nur der verunglückten Familie Beistand geben. Auch der Unglücksfahrer Günter S. und seine Beifahrerin erlitten schwere Schocks und mussten im Krankenhaus behandelt werden. Keiner der Beteiligten konnte bis zum späten Abend von der Polizei vernommen werden. Immer wieder machen spektakuläre Unfälle Schlagzeilen, bei denen Senioren die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlieren. Und: Die Zahl der Unfälle, an denen über 65-Jährige beteiligt waren, ist weiter gestiegen. Allein in Hamburg wurden 2009 insgesamt 9621 Unfälle von Senioren registriert. 2008 waren es erst 9397. Diese Steigerung von 2,4 Prozent fiel aber deutlich geringer als in den Vorjahren aus. Von 2007 auf 2008 waren die Unfallzahlen um 7,1 Prozent, davor sogar um 14,9 Prozent gestiegen.