Winterhud. Was gehört traditionell zu einem gediegenen Neujahrsempfang? Punsch und Berliner. In der Komödie Winterhuder Fährhaus war beides in der Matinee am Sonntag natürlich unverzichtbares Beiwerk, doch viel wichtiger und erstaunlicher ist es jedes Jahr aufs Neue, wie viele Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Kirche in freundschaftlicher Absicht hier aufeinandertreffen und sich ganz zwanglos mit „gemeinem“ Fuß- und Theatervolk mischen. Zum 25. Neujahrsempfang hatten sich 500 Freunde der Komödie Winterhuder Fährhaus angemeldet, die, zumeist mit klebrigen Fingern, die köstlichen Berliner verputzten.

Michael Lang, als Nachfolger des legendären Komödiendirektors Rolf Mares bereits seit dem Jahr 2000 als Chef im Amt und nicht minder erfolgreich, wagte dennoch einen kritischen Blick in die Zukunft, weil Kunst viel Geld koste, das einfach nicht da ist. Zumal das herausragende Programm der kleinen Komödie Kontraste offenbar manchen Zuschauer psychisch überfordert. Vielleicht helfen ja die spontanen Spenden von Else Schnabel und Frank und Margitta Albrecht (Immobilien), gerade dieses Programm am Leben zu erhalten.

Als Ehrengast saß Eberhard Möbius, 25 Jahre lang kritisch literarischer Festredner, in der ersten Reihe und amüsierte sich über die auf Platt gehaltenen Döntjes von Gerd Spiekermann, der weniger politisch und spitzfindig kabarettistisch als sein Vorgänger Möbius parlierte, sich aber Seitenhiebe auf politische Missstände dennoch nicht verkneifen konnte. Bidla Buh, das Spitzenkönnertrio, das mit allen musikalischen Wassern gewaschen ist, sorgte für Gelächter und Mitklatschen, dem sich weder der Weltstar, Tenor Klaus Florian Vogt, ein Studienfreund von Michael Lang und ehemaliger Kollege im Orchestergraben der Staatsoper verweigerte, noch die Doyenne des Abends, die 90 Jahre alte Helga Benatzky, Nichte des gleichnamigen Operettenkomponisten. Annemarie Dose, Gründerin der Hamburger Tafel, gehört sozusagen zum Inventar des Neujahrspunsches. Trotz der fröhlichen Allgemeinstimmung drückte sie vor Beginn des Programms ihre ernste Besorgnis um „ihre“ Tafel aus, die im November ihr 20-jähriges Bestehen „gediegen, festlich und hanseatisch“ begehen soll. Annemarie Dose, nie um klare Worte verlegen, prangerte die mangelnde Bereitschaft der verschiedenen Hilfsorganisationen an, miteinander zu kooperieren und die Unfähigkeit, auch einmal entschieden Nein zu sagen. „Wir waren ursprünglich als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht und sind jetzt eine Hängematte, die viele ganz einfach in Anspruch nehmen, weil es so bequem ist. Wir wollen doch nicht Faulheit unterstützen.“ Ernste Töne in fröhlicher Runde – auch das gehört zu diesem Neujahrsempfang wie Punsch und Berliner.