Sie prägt seit mehr als 15 Jahren als Filmförderungschefin das kulturelle Leben der Stadt. Ohne Eva Hubert würde es viele Filme, die in Hamburg entstehen, nicht geben. Ein Porträt.

Wenn sie heute zu einer Filmpremiere geht, ist vor dem Kino häufig ein roter Teppich ausgerollt. Irgendwer winkt, ein anderer ruft ihren Namen, ein Fotograf drückt auf den Auslöser auf der Kamera. Ein Abend mit Schulterklopfen, Sektglas, ein bisschen Scheinwerferlicht. Ohne Eva Hubert würde es viele Filme, die in Hamburg entstehen, nicht geben. So lautet die schlichte Wahrheit im Geschäft mit dem teuren Kulturgut Film. Zwischen zehn und elf Millionen Euro verteilt die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, an deren Spitze Hubert steht, jedes Jahr an Regisseure, Produzenten, Verleihfirmen. Kein Vermögen, aber ein wichtiger Baustein für jedes Projekt, das es schließlich auf die Leinwand oder ins Fernsehen schafft. Hubert ist ein Stützpfeiler für die Kreativen. Eine Möglichmacherin. Ein wunderschöner Beruf, findet sie, auch weil man Menschen Türen öffnen kann, die ihnen sonst verschlossen blieben.

Lang ist’s her, dass die kleine Eva sich in ein Münchner Programmkino schmuggelte, um „West Side Story“ zu sehen, die inbrünstig besungene New Yorker Liebesgeschichte. Elf Jahre war sie damals alt, ein hochgewachsenes Mädchen mit einer Schwäche für Filme und den Zauber des dunklen Saals. „Ich war so stolz, dass ich es ins Kino hineingeschafft hatte“, sagt Hubert und lächelt ihr Mädchenlächeln, das sie so viel jünger aussehen lässt als 63 Jahre. Stolz ist sie auch heute noch, wenn sie sich in den schweren Kinosessel fallen lässt: auf die Talente, die den beschwerlichen Weg gegangen sind von einer Idee auf dem Papier zu einer erstaunlichen Geschichte in Bildern. „Ich habe großen Respekt vor Künstlern, die etwas schaffen, was ich selbst niemals könnte“, sagt sie. Sympathische Bescheidenheit ist eines ihrer Markenzeichen.

Es ist auch der Respekt vor dem Kunstwerk, ein Bewusstsein um die oft sensible Künstlerseele und ihr Beschützerinstinkt unerfahrenen Filmemachern gegenüber, der Eva Hubert prädestiniert für den Job. Ohne sich in den Vordergrund zu drängeln, schafft sie leise und beharrlich Bedingungen, die Hamburg als Filmstadt attraktiver machen. Die dafür sorgen, dass nicht jeder halbwegs talentierte Jungregisseur seine Koffer packt und sich in den nächsten Zug nach Berlin setzt.

Seit mehr als 15 Jahren ist Hubert als Filmförderungschefin am Ruder – und ist in der gesamten Zeit kein bisschen filmmüde geworden. Was auch daran liegt, dass der Job nie langweilig wird: neue Geschichten, spannende Menschen, ungewöhnliche Erzählformen. Dabei macht Hubert keinen Unterschied zwischen Experimentalfilmern und solchen Regisseuren, die populären Stoff fürs Fernsehhauptprogramm abliefern. Zwischen Animationshandwerkern und Dokumentarfilmern. Jede Kunstform hat in ihrer Welt Berechtigung. „Aber wir haben die Individualkünstler niemals unter den Tisch fallen lassen“, sagt Hubert. Querdenker und Freigeister bekommen bei der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein eine Chance – das unterscheidet die Institution vielleicht von anderen Förderungsanstalten mit weit üppigerem Budget. Auch Huberts privater Kinohorizont ist himmelweit. Zehnmal hat sie mit Ingrid Bergman und Humphrey Bogart in „Casablanca“ mitgelitten, sich über Tarantinos „Pulp Fiction“ und „Cargo“ der Coen-Brüder begeistert und Edgar Reitz’ „Heimat“-Trilogie tagelang durchgesessen, 26 Stunden präsentierte das Schauspielhaus damals den zweiten Teil, erzählt Hubert mit leuchtenden Augen. Man muss vielleicht auch ein wenig verrückt sein in dieser Branche, verrückt im Sinne von leidenschaftlich. Hubert ist Bauchmensch und Kopffrau, eine vielversprechende Kombination.

Dabei hätte ihre Karriere leicht ganz anderes verlaufen können. Mit gerade mal 23 Jahren unterrichtete sie an der Berufsschule für Maschinenschlosser. Eine Herausforderung als einzige Frau inmitten einer Horde leidlich motivierter junger Männer. Aber Hubert wollte dringend finanziell unabhängig sein, dem strengen, konservativen Zuhause, in dem sie groß geworden war, ein eigenständiges Leben entgegensetzen. Sie wechselte an die Berufsschule für Friseure – und spürte schließlich nach sieben Jahren im Beamtenjob: unterrichten bis ins Rentenalter, das ist ausgeschlossen. Sie kündigte. Konsequenz und unverstelltes Agieren sind Eigenschaften, die sie sich bis heute bewahrt hat. Es folgten sieben medienpolitische Jahre am Hans-Bredow-Institut, dann beendete Hubert auch diese Tätigkeit. „Alle sieben Jahre habe ich etwas anderes gemacht“, stellt sie zufrieden fest. Sie weiß: Brüche sind manchmal das Spannende im Lebenslauf. Und wirken oft wie die Vorbereitung auf die eigentliche Bestimmung. Hubert ist über die Jahre hinweg eine Expertin für vieles geworden: Medienpolitik, wissenschaftliche Detailanalysen, linke gerechte Politik aus ihrer Zeit als aktive Grünen-Politikerin. Als junge Frau rannte sie auf Demos gegen Atomkraft, später lag ihr die Frauenbewegung am Herzen. Sie war Gründungsmitglied der Grünen, neben dem politischen Engagement immer voll berufstätig. „Für mich war das eine Haltungsfrage, dass man sich für Dinge einsetzt, die einem am Herzen liegen“, sagt sie. Sieht man sich ihre Biografie an, fällt auf, wie sehr sich Eva Hubert stets für ihre Mitmenschen starkgemacht hat. Und vielleicht ist der Unterschied tatsächlich nur ein geringer, ob man für bessere Lebensbedingungen eintritt oder für ein künstlerisch lebenswerteres Umfeld. So sanft sie mit dem weißen Haar und den zarten, weitgehend ungeschminkten Gesichtszügen wirkt: Hubert ist auch eine Kämpferin. Ein Charakterkopf.

Im Ottenser Gebäude mit Fabrikhallencharme, in dem die Filmförderung ihren Sitz hat, fühlt sie sich angekommen. Sieht rund 20 Filme pro Monat, sitzt in Fernsehratssitzungen und ähnlich zähen Gremiendebatten. Aber darf sich auch neben Kim Basinger aufs Foto quetschen, wenn diese in Hamburg dreht. Den Rohschnitt von Fatih Akins neuem Werk betrachten, einem ihrer Schützlinge seit seinem Debütfilm. Als Hamburg Umwelthauptstadt war, trieb Hubert mit ihrem Team die Initiative zum Grünen Drehpass für umweltverträgliches Arbeiten voran. Der Pass wird bis heute verliehen – eine kleine Erfolgsgeschichte in nachhaltigem Filmemachen. Hubert ist kein Mensch, der in Routine Halt findet. Der Wert drauf legt, dass alles bleibt, wie es immer schon war. Im Gegenteil sucht sie die Herausforderungen beinahe mit der Lupe. Und bewahrt dabei eine Ruhe, die sie vermutlich auch in einer abstürzenden Seilbahn vom Schreien abhalten würde. Aktuell setzt sie sich verstärkt für Nachwuchsförderung ein, liebäugelt mit einem Fördermodell, das sie von den skandinavischen Nachbarn abgeguckt hat. An den dortigen Filminstituten arbeiten die Mitarbeiter während des Entstehungsprozesses deutlich enger mit den Kreativen zusammen. „Mir gefällt, dass man eine sehr direkte Verantwortung dem Projekt gegenüber hat. Man kann nicht einfach zur Seite ausweichen“, sagt Hubert.

So viel berufliches Engagement, so viele Einladungen für abendliche Kinopremieren fordern natürlich einen Ausgleich. Kraft tankt Hubert am Wasser. Die Wohnung, in der sie mit ihrem Mann lebt, dem ehemaligen GAL-Abgeordneten Willfried Maier, ist zum Glück in Alsternähe. Am Wochenende zieht sich das Paar in die Ferienwohnung am Schaalsee zurück. Hamburg sei immer ihre Sehnsuchtsstadt gewesen, schon damals als junge Frau in München, sagt Hubert. Ein Ort, der Freiheit und freies Denken verspricht. Wie sehr sie die Stadt einmal prägen, ihr kulturelles Leben mitgestalten würde, hätte sie sich vermutlich nicht träumen lassen. Andererseits: Dass im Leben nichts unmöglich ist, hat uns schließlich das Kino gelehrt. Eva Hubert kennt sich da aus.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbildgelten. Eva Hubert bekam den Faden von Marco Antonio Reyes Loredo und gibt ihn an Barbara Kirschbaum weiter.