Eveline Hall, 68, läuft auf vielen großen Designershows. Jetzt erscheint ihr Buch

Hamburg. Eigentlich müsste Eveline Hall 150 Jahre alt sein. „Ich habe vier Leben in eines gepackt“, sagt das 68-jährige Model, während es im Café Paris sitzt. Hall kommt gerne hierher. Das Café mit den hohen Wänden, dem Fliesendekor und der trubeligen Atmosphäre erinnerte sie an ihre Zeit in der französischen Hauptstadt. Manchmal tauscht sie mit der Bedienung ein paar Worte auf Französisch aus, der Erinnerung wegen.

Halls Lebenslauf ließt sich wie ein Potpourri der Lebensentwürfe. Die 1945 in Berlin geborene Tochter einer Tänzerin und eines Schauspielers wuchs in Eppendorf auf. Mit 16 Jahren wurde sie Solotänzerin beim Hamburger Ballett. Neun Jahre später zog sie nach Las Vegas, um Showtänzerin in der Bluebell-Gruppe zu werden und mit Siegfried und Roy zusammenzuarbeiten. Ein paar Jahre später wieder ein Bruch: Hall kam zurück nach Europa, machte eine Schauspielausbildung und trat in Basel, Wien und am Thalia Theater auf. 1995 ging Eveline Hall nach Paris, wo sie trotz ihres Alters das Modeln für sich entdeckte und Gesang studierte. 2004 dann kam sie zurück nach Hamburg – nicht, um sich zur Ruhe zu setzen, sondern um noch mal durchzustarten. Hall ist heute ein gefragtes Model im gehoben Alter (neudeutsch heißt das „Best Ager“), läuft auf großen Shows und ziert viele Magazincover.

Und jetzt hat sie auch noch ein Buch, eine Biografie, geschrieben. Nicht jeder mag das gutheißen, auch Hall selbst war zunächst skeptisch. „Ich musste fast schon dazu überredet werden“, sagt sie und streift mit einer galanten Bewegung ihr langes Haar in den Nacken. „Ich wusste ja nicht, ob ich das kann – und will.“ Zum einem war da die Sorge, ob ihre Erinnerungen ausreichen würden, um damit ein ganzes Buch zu füllen, und zum anderen die selbstkritische Fragen, ob die eigene Geschichte wirklich so relevant ist.

„Ich habe eine sehr seltene Lebensgeschichte, die von vielen Neuanfängen geprägt ist. Irgendwann entschied ich, dass das Grund genug ist, um sie zu erzählen.“ Mit Hiltrud Bontrup und Kirsten Gleinig fand sie die, wie sie sagt, „die perfekten Co-Autorinnen". „Nach ein paar Wochen Zusammenarbeit hatte ich das Gefühl, dass das funktioniert“, sagt Hall. Sie sei überrascht gewesen, wie viele Erinnerungen in den Gesprächen mit den beiden wieder auftauchten. Oft habe es sehr emotionale Momente gegeben. „Viele eigentlich vergessene Dinge waren plötzlich wieder sehr präsent.“

Und dann war da ja noch die Sache mit der Sprache. „Mir war ungeheuer wichtig, dass es meine Sprache war. Man sollte mich hören, mich sehen.“ Diese Echtheit war Hall wichtig. Sie sagt, ihr Buch sei auch selbstkritisch und sie habe nichts beschönigt. „Ich wollte mich selbst nicht retuschieren. Das Buch ist ganz ehrlich. Es ist so, wie ich gelebt habe. “ Angst vor negativer Resonanz hat sie nicht. „Ich will keinem mehr gefallen.“ Über diese Lebensphase sei sie hinaus.

Hall sieht sich als Vorreiterin und hat ihre Biografie für junge Menschen geschrieben. „Was ich erlebt habe, mag ungewöhnlich sein für meine Generation, doch die, die nach mir kommen, teilen mein Schicksal“, steht im Vorwort. „Sie müssen sich noch im Alter immer wieder neu erfinden. Ihnen möchte ich sagen: Habt keine Angst! Vor euch liegt ein Abenteuer, das es auszukosten gilt.“ Und auch das Abenteuer von Eveline Hall ist noch nicht zu Ende. Gerade arbeitet sie an einer Rock-CD, die schon im Dezember rauskommen soll.

Die Biografie ist bei Eden Books erschienen, kostet 19,95 Euro