Der Berliner Künstler Christian Awe stellt erstmals in Hamburg aus. 300 Gäste feiern Vernissage am Stephansplatz. “Durch Kultur Identität zu schaffen“, darin sieht der 34-Jährige seine Aufgabe.

Hamburg. Jenny Falckenberg geht durch den 500 Quadratmeter großen Kellerraum in der Oberpostdirektion am Stephansplatz 1. An den rustikalen Steinwänden hängen die farbenfrohen Werke des Berliner Künstlers Christian Awe, die zum ersten Mal einem Hamburger Publikum präsentiert werden. "Seine Bilder sind einzigartig", sagt sie begeistert. "In ihnen steckt unheimlich viel Persönlichkeit."

Es ist die erste Einzelausstellung von Awe in der Hansestadt und für die Hamburger Galeristin Jenny Falckenberg ein besonderes Ereignis. 300 Gäste hatte sie zur Ausstellungseröffnung am Dienstagabend geladen, darunter viele Kunstexperten und prominente Hamburger Persönlichkeiten.

Kennengelernt haben sich Jenny Falckenberg, die Tochter des bekannten Hamburger Kunstsammlers Harald Falckenberg, und Christian Awe auf einer Kunstmesse in Köln. "Ich fand ihn damals schon so toll", erzählt sie. Für sie sei sofort klar gewesen, dass sie Awes Kunst irgendwann nach Hamburg bringen muss. Vier Jahre ist das erste Treffen her, seitdem hat der Berliner viele Projekte im Ausland umgesetzt. In Russland gewann er den Kunstpreis des Bürgermeisters der Stadt Perm, eines tristen Ortes, der von der Rüstungsindustrie geprägt wird. Drei Wochen lang war Awe dort und hat unter anderem die Fassade der pädagogischen Universität mit seiner Kunst verschönert.

"Durch Kultur Identität zu schaffen", darin sieht der 34-Jährige seine Aufgabe. "Für mich ist Kunst nichts Elitäres. Sie sollte für jedermann sein." Er wolle Kunst erfahrbar machen und sie zu den Menschen bringen, sagt Awe, der schon im Alter von elf Jahren seine kreative Ader entdeckte. Als Graffiti-Sprayer hat er als Jugendlicher versucht, seinen Stadtteil zu beleben, jedoch schnell ein ernsthaftes Interesse an der Kunst entwickelt. "Ich wollte schon immer etwas Schönes schaffen." Also studiert Awe Kunst bei Georg Baselitz und Daniel Richter an der Universität der Künste in Berlin. Er schließt sein Studium 2006 ab, fünf Jahre später nimmt er einen Lehrauftrag an der Princeton University an und unterrichtet "Experimentelle Malerei". Prädestiniert dafür ist Christian Awe, weil er in seiner jungen Laufbahn eine ganz eigene Verfahrenstechnik entwickelt hat, mit der er seine Werke erstellt. Seine Malerei entsteht in einer Vielzahl von übereinandergelegten Malschichten, die unterschiedliche Elemente, von gesprühten Graffiti bis zur klassischen Pinselbewegung, vereinen. Mit einem Holzschnittmesser kratzt er später die Schichten ab, sodass unterschiedliche Ebenen sichtbar werden. Eine Besonderheit dabei sind die von Awe verwendeten Schablonen, durch welche die Motive auf den Werken entstehen. Es sind Gegenstände, die er gesammelt hat. "Von der Gardine meiner Oma bis zum Ohrring meiner Ex-Freundin ist alles dabei", sagt Awe. Genau diese persönliche Note ist es, die auch Galeristin Jenny Falckenberg so fasziniert, vor allem, weil die Details nicht sofort offensichtlich sind: "Jeder entdeckt in den Werken etwas anderes, und man entdeckt immer wieder etwas Neues." Awe selbst sagt, seine Arbeiten seien wie "der Blick in die Wolken": "Je länger man hineinblickt, desto mehr offenbart sich einem." Für den jungen Mann aus Berlin-Lichtenberg, der es liebt, mit knalligen Farben zu arbeiten, stellen seine Bilder aber vor allem eines dar: Erinnerungen. "Einige Menschen schreiben Tagebuch, ich male Tagebuch", sagt er.

Auch die Gäste, die sich am Dienstag in lockerer Atmosphäre bei einem Glas Wein und ein paar Häppchen die expressionistisch beeinflussten Bilder auf der Vernissage anguckten, waren angetan. "Es ist ein sehr unmittelbar wirkendes Erlebnis, das ausgezeichnet in diese Räume passt", sagte der Geschäftsführer der Hamburger Kunsthalle, Stefan Brandt.

Noch bis zum Sonnabend ist die Ausstellung "Underneath" in der Oberpostdirektion am Stephansplatz zu sehen (17-19 Uhr, außer sonntags), danach hängen die Werke einen Monat lang bei Grossmann & Berger (Große Bleichen).