Marina Estella Anwar Bey vertritt den 240-Millionen-Einwohner-Staat Indonesien in Hamburg. Für die Diplomatin ist mit ihrem Dienstantritt in der Hansestadt ein “Traum wahr geworden.“

Winterhude. Sie vertritt das viertgrößte Land der Welt, gemessen an der Zahl der Einwohner. Marina Estella Anwar Bey, Jahrgang 1958, ist Generalkonsulin von Indonesien. Sie vertritt ein Land, das aus 17.000 Inseln besteht, die größten unter ihnen sind Sumatra, Java, Kalimantan, Sulawesi und Papua. Die 240 Millionen Indonesier gehören mehr als 350 unterschiedlichen Ethnien an, knapp 90 Prozent von ihnen sind Moslems.

Hamburg war das Traumziel der Diplomatin, seit sie während ihrer Jahre an der Botschaft in Berlin mal eine Kollegin in Hamburg besucht hatte. "Jetzt", sagt sie, "ist der Traum wahr geworden." Ihren Berufswunsch weckten Zeitungsartikel über Afrika, die sie als junge Studentin las. Ihr Vater, ein Militärrichter, hat sie darin unterstützt. Auch ist Deutsch der indonesischen Amtssprache Bahasa Indonesia nicht eben ähnlich. Und doch lernte und studierte sie Deutsch. Deutsche Literatur, deutsche Geschichte. Nicht ganz so exotisch in Indonesien, wie man glauben möchte: An den Gymnasien dort wird Deutsch neben Französisch als zweite Fremdsprache nach dem Englischen gelehrt. Da schwingt immer ein bisschen Deutschland-Bewunderung mit, für Forschung, Technik, Markt-Know-how. Vielleicht auch die Hoffnung, einmal hier zu studieren oder eine Zeit lang zu leben. Für 3300 indonesische Staatsbürger aus ihrem Konsularbezirk - Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein - sind Frau Anwar Bey und die zwölf Mitarbeiter ihres Konsulats an der Bebelallee 15 die Anlaufstelle. 850 von ihnen sind Studenten, die meisten an der Technischen Universität Harburg und Universität Hamburg, aber auch angehende Wirtschaftsjuristen an der Bucerius Law School, darunter viele Stipendiaten. Etwa 1300 Indonesier leben in Hamburg.

Dass Hamburg in den 50er-Jahren eine Art europäischer Indonesien-Schwerpunkt werden konnte, hatte politische Gründe. Diplomatisch formuliert: "Wir hatten Schwierigkeiten mit den Niederländern." Die ehemalige Kolonialmacht war nach der 1945 ausgerufenen Unabhängigkeit Indonesiens nicht gut gelitten. So suchte man anderswo einen großen Hafen und kompetente Kaufleute; schon 1957 wurde in Hamburg das Generalkonsulat eröffnet, in der Hoffnung auf Hilfe beim Eintritt in den nord- und mitteleuropäischen Markt. Etwa 400 Hamburger Firmen unterhalten Geschäftsbeziehungen mit Indonesien, in dem Land niedergelassen haben sich rund 250 deutsche Unternehmen, darunter Beiersdorf aus Hamburg mit seiner Zentrale für den Asien-Pazifik-Markt. "Wir exportieren Textilien, Möbel, Kakao, Kaffee, Tee, Kautschuk, elektronische Geräte und vieles mehr", sagt Frau Anwar Bey, "wir importieren vor allem Maschinen, Arzneimittel, Plastik und Autoteile."

Wirtschaftsförderung ist denn auch eines der Hauptanliegen von Marina Estella Anwar Bey. Bevor sie nach Hamburg kam, sammelte sie schon 1988 erste Auslandserfahrung in West-Berlin in einem Training für junge Diplomaten der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung. In Hamburg hat sie nun hin und wieder einen hochrangigen Unterstützer bei Empfängen und Seminaren: den ehemaligen Staatspräsidenten Indonesiens, Bacharuddin Jusuf Habibie, 77. Deutschland-Fan auch er, der in Aachen studierte, vor seiner politischen Karriere beim Airbus-Vorläufer MBB zum Vizegeneraldirektor aufstieg und heute noch einen Zweitwohnsitz in der Lüneburger Heide nutzt. "Ein wunderbarer Türöffner für wirtschaftliche Kontakte", sagt die Generalkonsulin.

Sie ist stolz darauf, dass nicht nur die Wirtschaft im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht, sondern auch die Kultur ihres Landes. Sichtbarer Beweis im Empfangssaal: ein großes traditionelles Gamelan - ein gewaltiges Musikinstrument, auf der Fläche eines Wohnzimmers. "1970 wurde in Hamburg ein Ensemble gegründet, das darauf spielt, Indonesier und Deutsche gemeinsam. Zweimal in der Woche gibt es Kurse, dann wird das Konsulat von den Tönen und Rhythmen der metallischen Klangplatten, Gongs und Trommeln erfüllt. Man kümmert sich außerdem um Lesungen und Filme, einmal im Jahr auch um eine größere Veranstaltung im Völkerkundemuseum: "Dort kann man sehen, was unsere Kultur zu bieten hat."

Gegen das kulinarische Heimweh kocht in ihrer Residenz in Othmarschen ein indonesischer Koch an: "Die authentischen Zutaten, vor allem die Gewürze, bekommen wir alle bei Toko Indonesia am Steindamm." Wo ganz in der Nähe auch ein indonesisches Restaurant seine Kochkünste anbietet.

Ihre drei Jahre alte Tochter Raissa besucht eine deutsche Kita und korrigiert die Mutter schon mal, wenn der das richtige Wort für Ostereier nicht sofort einfällt. Marina Estella Anwar Bey hat sich gut eingelebt in Hamburg. Lobt die englischen Ansagen in U- und S-Bahnen und die Umgebung in Othmarschen und Blankenese, wo sie gern auf Entdeckungstour geht. "Schön, grün, international", so bringt sie ihr Hamburg-Gefühl auf den Punkt. Und das Wetter? Wie fühlt sich das an, wenn man die Temperaturen der Äquatornähe gewohnt ist? "Da muss ich mich dran gewöhnen. Es ist schon o. k. Manchmal haben wir hier ja auch Sommer."