Am Valentinstag feierte Julia Atze ihre inoffizielle Premiere als erste Pastorin in der Geschichte von St. Michaelis

Neustadt. "Eine Meditation über die Liebe" hatte "die Neue" für die Valentinsnacht im Michel angekündigt, der anlässlich dieses Tages der Liebenden zum zehnten Mal seine Türen geöffnet und sich, dem Anlass entsprechend, wirklich herzig herausgeputzt hatte. Dutzende roter Herzen aus Pappmaschee hingen im Kirchenschiff und erfreuten die Augen der etwa 300 Kirchenbesucher, die sich zu diesem Jubiläum eingefunden hatten, das für die 40 Jahre alte Pastorin aus Stellingen - sie ist mit einem Theologen verheiratet und hat zwei Kinder - jedoch eine Premiere war.

Denn es handelte sich immerhin um ihren ersten öffentlichen Auftritt als evangelische Pastorin der St.-Michaelis-Gemeinde. Und überhaupt ist ja Julia Atze in der 400-jährigen Geschichte dieser Kirchengemeinde die erste Frau, die zukünftig regelmäßig in Hamburgs bekanntester Kirche predigen und sich ansonsten vor allem in der Kinder- und Jugendarbeit engagieren wird.

Die "Valentinsnacht" sei jedoch ausdrücklich nicht als Gottesdienst geplant, betonte die bekennende FC-St.-Pauli-Sympathisantin im Vorfeld der Veranstaltung, auf der sich fast ausschließlich junge Leute und sogenannte Bestager zwischen 30 und 50 Jahren tummelten und interessiert auch den Liebesliedern lauschten, die live gesungen wurden: ein Potpourri aus Mendelssohn, Händel und Liszt bis hin zu Leonard Bernsteins "One hand, one heart - there's a place for us." Das einzige wirklich kirchliche Element heute Abend, so die Pastorin, sei der kirchliche Segen, den alle Paare auf Wunsch empfangen könnten.

Dann erinnerte Julia Atze an die Taten des heiligen Valentin, eigentlich Bischof von Interamna (dem heutigen Terni in Umbrien, etwa 80 Kilometer nördlich von Rom), der in der Hauptstadt des Römischen Reiches vermutlich am 14. Februar 269 n. Chr. hingerichtet wurde. Über den Heiligen geht die Legende, er habe Liebespaaren, denen die Mitgift für eine Heirat fehlte, heimlich Geld zugesteckt, damit die zueinanderfinden konnten. Doch erst als er nach Rom gerufen wurde, um einen verkrüppelten Abkömmling des beim Volk beliebten Rhetorikers Kraton zu heilen, platzte den Römern der Kragen. Denn der Bischof aus Umbrien hatte ihrer Meinung nach viele Leute zum Glauben "verführt", und nachdem er vor dem Kaiser - wahrscheinlich Victorinus auch noch das Götteropfer verweigerte, wurde er enthauptet und so zu einem der ersten Märtyrer der Kirche.

Dass die Liebe den Menschen also durchaus schon mal kopflos machen kann, durfte man dann auch den Worten der Theologin Britta Osmers entnehmen, deren "Improvisationen über die Kraft des Segens" von der kraftvollen Orgelmusik des Kirchenmusikdirektors Manuel Gera begleitet wurde. Dabei ging es vor allem um die Suche nach den Antworten auf zwei Fragen, die sich Liebende mit Sicherheit öfter als nur einmal stellen: Welche Kraft zieht mich zu dir? Wie bist du in mein Herz gekommen?

Bei Nela Ruminski, 31 und Andreas Rohde, 40, hatte es zufällig auf dem Hamburg Airport geknallt, vor zwei Jahren, zu Christi Himmelfahrt. Inzwischen sind die beiden verlobt; die Flugbegleiterin und der Kaufmann wollen kommendes Jahr im Mai heiraten. "Wir sind regelmäßige Kirchgänger: allerdings nur zweimal im Jahr", scherzte Andreas, "doch tatsächlich möchten wir an diesem besonderen Tag etwas Romantisches erleben. Und Nela hatte im Internet von der 'Valentinsnacht' gelesen." Beide seien jedoch zunehmend von dem Bedürfnis getrieben, sich einmal ganz bewusst aus dem stressigen Alltag herauszuziehen. Beide wollen sie auch den kirchlichen Segen empfangen: "Die Liebe ist schließlich das größte Geschenk. Das muss man unbedingt festhalten", fügte Nela in diesem Moment hinzu und griff lächelnd nach der Hand ihres Verlobten.

"Gottes Liebe", sagte Julia Atze würdevoll, "begleitet, trägt und trennt auch die menschliche Liebe. Es fällt uns häufig schwer, innezuhalten und uns mit uns selbst und miteinander auseinanderzusetzen. Nichts aber wäre ohne Liebe, und ohne Liebe wäre alles nichts. Denn die Liebe ist die Größte."

Sie hält es daher für wichtig, dass "die Kirche" sich der Gesellschaft in Zukunft noch mehr öffnet. Und dabei auch neue, vielleicht ungewöhnliche Wege beschreitet. Dazu gehörten auch der Sekt und die kleinen Snacks, die am Ende dieser zehnten "Valentinsnacht" im Michel gereicht wurden - weil Liebe ja häufig auch durch den Magen geht.

Julia Atze war da schon wieder auf dem Weg nach Hause. Denn am kommenden Sonntag um 18 Uhr wird es sozusagen ernst, wenn sie im Rahmen des Abendgottesdienstes offiziell und feierlich in ihr neues Amt eingeführt wird. Das Thema ihrer ersten Predigt - ein Gespräch zwischen Jesus und Petrus über menschliche Größe und menschliches Versagen - steht zwar schon fest, sagte sie. Aber sie wolle noch ein bisschen am Text feilen.