Der Le Canard-Chef wurde als einer der 50 besten Köche Deutschlands gefeiert. Es folgte der Absturz. Jetzt kocht er im Marbella.

Hamburg. Als der junge Josef Viehhauser in der Küche des elterlichen Berggasthofs auf dem Danielsberg in Kärnten Erbsen putzt und Kartoffeln schält, hat er keine Ahnung davon, dass er es mal unter die 50 besten Köche der Welt schaffen würde. Am Herkuleshof oben ist die große Welt ganz weit weg. Und er wird Koch, weil er da rauswill.

Drei Jahre Kochlehre in Bad Hofgastein, "da haben wir arbeiten gelernt, zu spuren, auch zu kochen, die Liebe zum Produkt, zum Beruf. Das hat schon gepasst." Irgendwann kommt dann das Angebot, ins Rheinland zu gehen, nach Düsseldorf; sein erster richtiger Küchenchef dort sagt: "Alles ist gut, bloß du kannst nix. Wenn du willst, lernst du's bei mir."

Viehhauser fängt noch mal bei null an, kocht später in der Orangerie, beinahe schon auf Sterne-Niveau. Liest Restaurantkritiken, hört von Witzigmanns Tantris in München, damals ausgezeichnet mit zwei Michelin-Sternen. Kommt in München bei Hans-Peter Wodarz' besternter "Ente im Lehel" unter. Dann lockt Hamburg: Volkmar Preis holt ihn im Februar 1976 in sein ambitioniertes Landhaus Dill an der Elbchaussee.

"Damals war Hamburg kulinarisches Brachland", sagt Viehhauser. Es gab weder Crème fraîche noch Jakobsmuscheln, frische Kräuter oder Lammfleisch, keinen Petersfisch, keinen Wolfsbarsch. "Wir wollten Neues machen, angelehnt an die Nouvelle Cuisine, haben Saucen ohne Mehlschwitze als Basis gekocht, Parfaits und Terrinen gemacht, frische Fische nach Marktlage gekauft - und außergewöhnlich angerichtet." Die Reaktion der Hamburger war "sensationell, als hätten die nur drauf gewartet".

Zwei Jahre später liest Viehhauser im Hamburger Abendblatt von einem Restaurant an der Martinistraße in Eppendorf, er pachtet es. 28 Plätze und vier an der Minibar, Küche im ersten Stock, das erste Le Canard. Im Februar 1978 dann die Geburt einer Gourmet-Legende. Mit einer Enten-Speisekarte, "viel Vierländer Ente. Mit Enten-Consommé, die Leber als Parfait oder mit Armagnac-Pflaumen unter der Blätterteighaube ... Und eine Karte nach Tageseinkauf." Im November 1978 schon kommt der Michelin-Stern.

Selbstbewusst ist der junge Koch. Dem Kritikerpapst Wolfram Siebeck, der ihn mal verrissen hatte, erklärt er am Tisch: "Tut mir leid, ich kann Sie heut' nicht bekochen", und reserviert ihm einen Tisch im Mühlenkamper Fährhaus. Jahre später hat man sich dann doch wieder vertragen.

1986 folgt der Umzug des Le Canard an die Elbchaussee, futuristische Architektur mit schwungvoller Gangway hinab zum Eingang. Mehr als 100 Plätze. Tempel für Gourmets aus aller Welt. Es gibt Labskaus von der Ente mit Wachtelspiegelei, Steinbutt in Räucheraalsauce, Kartoffelsalat mit Hummer. Es gibt enthusiastische Kritiken. Zwei Jahre hintereinander gehört das Le Canard zu den zehn besten Restaurants Deutschlands, Viehhauser bekommt 19 Punkte im Gault Millau, wird unter die 50 besten Köche der Welt gewählt. Seine Tochter nennt er nach einem französischen Spitzenwein Yquem.

Er sucht ständig neue Herausforderungen: Das Wattkorn in Langenhorn hat er seit 1982, 1988 kommt Viehhausers Stadtküche dazu, ein Catering-Service samt Party-Schiff, Viehhauser kocht im neuen Dorint-Hotel, im Hafenklub, ist am Weinhandel seines Bruders Anton beteiligt, eröffnet das Vau - "ein Le Canard in Berlin" - und die Restauration im dortigen Presseklub. Er brennt vor Ideen.

18 Jahre geht das gut. Dann kommt der 11. September 2001. "Von da an sind die Buchungen dramatisch eingebrochen." Andere sagen, er habe hier und da zu wenig selbst am Herd gestanden. Sein Imperium gerät in Schräglage, zerbröselt, 2004 kündigt Meinhard von Gerkan den Mietvertrag fürs Le Canard. Auch seine Familie zerbricht. Er versucht, "die ganze Unsicherheit wegzutrinken". Privatinsolvenz. Ende, aus. Alles wieder auf null.

"Wenn ich heute darüber nachdenke, war das ein Burn-out. Wollte nicht mehr da sein, niemanden treffen. Alles war mir zu viel." Er jobbt in etlichen Restaurants, hält sich eben so über Wasser. Ein harter Weg. Was ihn gerettet hat? "Irgendwann habe ich gemerkt, was mir fehlt: Ich muss richtig kochen, schnippeln, ein gutes Produkt in die Pfanne legen, eine Top-Sauce dazu machen. Alles andere brauche ich nicht mehr, die ganzen Lobeshymnen, Beweise, Sterne, Punkte."

Seit Dezember 2011 kocht er in Winterhude - ein Stammgast hat das vermittelt - im Marbella, einem eleganten Souterrain-Spanier, bei Dario Garcia und Martina Köster de Garcia. Hat schnell erkannt: "Die Spanier sind nicht weit von Frankreich, haben Top-Köche und Spitzenprodukte." Sagt's und schwärmt gleich vom Iberico-Schinken. "Drei Jahre gereift, einen besseren gibt's nirgendwo." Mit Martina Köster de Garcia, die sich vor 32 Jahren die Küche Spaniens erobert hat, tüftelt er an dezenten Verbesserungen. Er akzeptiert sogar knurrend, dass Knoblauch manchmal dazugehört. Einfach muss es sein: "Ein Hauptgericht, eine Beilage, eine Sauce - das hab ich als einer der Ersten in Deutschland propagiert."

Auch daheim in Wellingsbüttel weiß eine neue Partnerin seine Kochkunst zu schätzen. Noch einmal der Griff nach den Sternen? Viehhauser ist anderes wichtig. "Das hier ist eine wunderbare, runde Sache, eine familiäre Atmosphäre in der Küche. Ich habe meine innere Ruhe." Er freut sich, dass viele seiner Stammgäste von der Elbchaussee den Weg in die Dorotheenstraße 104 finden. Josef Viehhauser ist nicht nur wieder da - er ist glücklich.