52-Jähriger - seit mehr als 30 Jahren in Hamburg - erklärt mit viel Witz “How to be a Hamburger“. Seine Monatskarte läuft auf Oscar Wilde.

Hamburg. Wenn man ihn fragt, was er als Engländer nach mehr als 30 Jahren in Hamburg vermisst, muss Mark Lyndon nicht nachdenken. "Es sind diese Monty-Python-Momente - wenn der schwarze Humor mit der 'Devil-may-care-Attitüde' die Normalität für skurril erklärt. Das gibt es so nicht in Hamburg, da sind die Engländer sehr viel humorbereiter."

Der 52 Jahre alte britische Schauspieler und Moderator mit den unverschämt blauen Augen, der zwischen "britisch" und "deutsch" balanciert, hat gleich zwei Beispiele parat: "Wenn in London ein Schaffner unvermittelt fragt: 'Can I see your ticket, darling?', dann lacht man." Er selbst besitzt eine Hamburger Monatskarte - auf der steht der Name "Oscar Wilde". Aber "wenn ich zu einem Maler in seiner Arbeitskleidung sage: 'Sie hat man ja auch bemalt', dann fragt dieser pikiert zurück: 'Wie meinen Sie das?' So was geht hier in Deutschland sehr schnell nach hinten los."

Lyndon kam 1981 nach Deutschland; eigentlich wollte er eine Freundin in Lüneburg besuchen und wurde gleich weitergereicht zu Freunden in Hamburg. Zu diesem Zeitpunkt hatte er, der aus Welwyn Garden City nördlich von London stammt, schon in Oxford die Schule besucht und in London Literatur und Theater studiert, er wollte Schauspieler werden. Das steckt ihm in den Genen. Wenn er erzählt, schlüpft er in Rollen, die er blitzschnell wechselt, ist Arbeiter, ältere Dame, Polizist, Maklerin oder türkischer Kioskverkäufer. Prinz Charles hat er gespielt und auch den britischen Premier, und wenn er vormacht, wie die "stiff upper lip" der Hanseaten funktioniert, würde er auch als Hamburgs früherer Bürgermeister Klaus von Dohnanyi durchgehen.

Dabei war der Start in Hamburg nicht einfach. Sprachschwierigkeiten, Missverständnisse, viele Wohnungswechsel. Sprachlehrer bei Berlitz war er, spielte bei den University Players und dem English Theatre. Heute moderiert er auch, veranstaltet Lesungen und hat eigene Soloprogramme. Mit "How to be a Hamburger" gibt er morgen einen Benefizabend, mit dem Erlös hilft er der Anglikanischen Kirche am Zeughausmarkt. Ausverkauft. "Dafür müsste ein deutscher Komiker in London alle 300 Zuhörer einzeln bestechen!", lacht Lyndon stolz und verweist auf seinen nächsten Auftritt am 1. Dezember im Theater der Musikschule Poppenbüttel (Heegbarg 81, Karten-Tel.: 611 643 83).

Im Anglo-German Club, akkurat gekleidet, erzählt der brillante Entertainer: "Ich lebe in Hamburg, aber gehöre nicht dazu." So behält er den Blick fürs Komische. Dass er bis heute in kleinere Fußangeln der deutschen Sprache tappt, ist ein Quell der Heiterkeit. Eine Maklerin fragte er mal: "Guten Tag, ich bitte Wohnung haben?" Sie fragte mit kritischem Blick: "Woher kommen Sie, junger Mann?" "Von London." Erleichterung: "Ach so, Ihr Deutsch ist nicht ganz perfekt, manche Leute könnten glauben, dass Sie Türke oder Pole sind."

Aber auch Deutsche haben es manchmal nicht so sehr mit dem Englischen, wie die Badeaufseherin am Hotelpool, die ihn darauf hinwies, dass er Schuhe brauche, "against the champions". Gemeint hatte sie Champignons, was zweifelsfrei mit Fußpilz zu übersetzen ist. Noch skurriler: Eine Freundin, mit der er sonst englisch spricht, erzählt - auf Deutsch - sie habe einen Ofen gekauft - Lyndon versteht "orphan", also Waisenkind. Und fragt entsetzt: "Gekauft?" Ja. "Geht das in Deutschland?" Ja. "Ist das erlaubt?" Sie antwortet: "Weiß nicht. Ist aus zweiter Hand." Wie alt? "Ich glaub, fünf Jahre. Steht jetzt bei mir in der Küche, so 'n kleines weißes Ding."

Es sind aber auch Mentalitätsunterschiede. Wenn ihm etwa eine Apothekerin deutlich erklärt, wie Zäpfchen zu handhaben sind, und eine alte Dame engagiert verbal assistiert: "Sehr fest, sehr fest ..." Wo sich doch in England die Apothekerin entschuldigt, wenn sie bei einem Wespenstich an prekärer männlicher Stelle zu direkt gefragt hat.

Lyndon kann hemmungslos hamburgern. Wenn jemand sagt: "Sie halten uns Hamburgern ja den Spiegel vor", freut er sich. Wie britisch die Hanseaten wohl sind? Seine Quintessenz formuliert er diplomatisch: "Very British, fast britischer als die Briten - so, wie die Briten gern sein möchten und früher waren; doch dort hat sich das ja längst gewandelt." Die Hamburger wollen dazugehören, sie fragen: Was zieht ein Brite an, wie bindet er die Krawatte? "Und die Briten don't give a damn, sie sagen: Take me or leave me."

Engländer und Hamburger hätten eine ähnliche Art, Dinge nicht auszudrücken, ein Unterstatement. "Und ein feines Gefühl dafür, was fair ist - wer das verletzt, hat verloren."