Klischees? Braucht er nicht. Designer Stefan Eckert bricht mit dem Harvestehude-Chic und macht jetzt auch Handtaschen - neben weiblichen Designs.

Harvestehude. Ein Gespräch mit dem Mode-Designer Stefan Eckert gleicht dem Öffnen einer Wundertüte. Mittelweg 19 ist die Adresse seines Ateliers. Wer dem 33-Jährigen zum ersten Mal begegnet, würde ihn nicht auf Anhieb im feinen Harvestehude verorten. Mit seinen großen Ohrringen, den langen Rastazöpfen und seinen vielen Tattoos fällt er hier auf. Zu Hause ist er in Bergedorf. Wieder etwas, das bei Klischeedenkern und In-Schubladen-Steckern Stirnrunzeln hervorruft. Wohnt so einer wie der nicht in einem modernisierten Fabrikloft oder einer runtergerockten Wohnung auf St. Pauli?

Der Designer schert sich nicht um das, was von ihm erwartet wird oder was andere von ihm halten. Das sagt er zumindest. Und wer seine Arbeit genau betrachtet, erkennt, dass das keine Koketterie ist. Seine Kleidung ist nicht für Hungerhaken gemacht, sondern für Frauen mit Rundungen an den richtigen Stellen. "Meine Designs sind betont weiblich geschnitten, was auch meinen persönlichen Geschmack spiegelt", sagt der gebürtige Nürnberger, dessen Aussprache noch immer südlich gefärbt ist.

Die für Designer eigentlich wichtigen Modewochen in London, Paris und Berlin lässt Eckert ausfallen - aus Überzeugung. "So viele Inhalte und Inspirationen gehen auf dem Laufsteg verloren. Ich hatte das Gefühl, dass ich so nicht vermitteln kann, was ich mit meiner Mode sagen will", erklärt er. Deswegen wagte er im vergangenen Jahr ein Experiment. Anstatt Models über den Laufsteg stolzieren zu lassen, ließ er einen Film ablaufen, der seine Entwürfe in Form von Hologrammen zeigte.

Eckert geht durch sein Atelier und holt ein paar sorgfältig gezeichnete Entwürfe hervor. "Im Alltag bekommen wir ständig Input. Kreativität bedeutet, Eindrücke zu filtern und zu kanalisieren", sagt er nach einer kurzen Redepause und streicht nachdenklich mit dem Zeigefinger über das Papier. Die Kleidung, die er entwirft, ist überwiegend dunkel. In der aktuellen Herbst-/Winterkollektion hat der Designer viel mit Leder gearbeitet. Nur vereinzelt ist ein farbiges Teil zu finden. Die bunten Seidenschals mit dem Quallenmuster etwa. Dazu inspiriert hat ihn ein Tauchurlaub in Ägypten. "In den Entwürfen spiegeln sich emotionale Stimmungen oder das, was einen gerade fasziniert. Ein Film vielleicht oder Musik."

Schon früh wusste Eckert, dass er Kleidung machen wollte. Systematisch ging er die Verwirklichung seines Berufswunsches an. Dem Abitur folgte eine Schneiderlehre. Denn ein Modedesignstudium ist erst sinnvoll, sagt er, wenn man auch die technischen und handwerklichen Fähigkeiten beherrsche. "Mode war für mich immer das Medium, mich auszudrücken. Ich habe meine Kleidung als Statement gesehen, um mich von anderen abzugrenzen", beschreibt Eckert seine Begeisterung.

Im Jahr 2000 begann der Franke in Hamburg sein Studium an der Akademie Mode und Design: "Ich habe mich direkt wohlgefühlt, weil die Stadt einfach wunderschön ist und mir die gewisse hanseatische Zurückhaltung sympathisch war." Er sei nicht typisch süddeutsch und brauche meist Zeit, um mit neuen Leuten warm zu werden.

Dem Bachelorstudium folgte ein Masterstudium am Londoner Central Saint Martins College. Eine Zeit, die den Designer besonders prägte. Denn hier bekam er die Chance, für den mittlerweile verstorbenen Star-Designer Alexander McQueen zu arbeiten. "Er war mein Held. Bei ihm habe ich gelernt, wie man aus einer Vision Mode macht", schwärmt Eckert. Dutzende Male habe er bei McQueen angerufen, bis er endlich seine Bewerbungsunterlagen in den richtigen Händen wusste.

Noch heute arbeitet er so, wie er es dort gelernt hat. Doch in Großbritannien stieß er irgendwann an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Stefan Eckert wollte eigenständig sein, eigene Ideen umsetzen. Außerdem war die Sehnsucht nach seiner in Hamburg lebenden Tochter Caprice zu groß. 2006 kam er zurück und präsentierte im Luxus-Kaufhaus Galleries Lafayette in Berlin exklusiv seine erste Kollektion. Aber auch das war irgendwie nicht das Richtige. "Meine Designs sind handwerklich aufwendig und wertvoll. Ich wollte einen Verkaufsort, an dem diese Liebe zum Detail zur Geltung kommt und Wertschätzung erhält. So habe ich mich für mein eigenes Ding entschieden."

Ein eigenes Atelier musste her. Ein Freund vermittelte ihm die Räume am Mittelweg, wo der Designer seit 2009 seine Mode entwirft und selbst schneidert. Er setzt auf hochwertige Materialien, altbewährte Handwerkstechniken und vor allem auf Qualität. Haute Couture aus Harvestehude. Acht Kollektionen hat Stefan Eckert auf den Markt gebracht. Bald stellt er seine erste Handtaschen-Linie vor. Zeit, sich zu vergrößern? Eckert bleibt gelassen und Hamburg treu. Es lohnt sich, das Anderssein.