Charlotte Hermelink leitet seit 2009 das Goethe-Institut am Hühnerposten in Hamburg. 200, 250 Schüler lernen dort monatlich Deutsch.

Hamburg. Einen Sprachkursus musste die gebürtige Münchnerin nicht machen, als sie an die Spitze des Goethe-Instituts Hamburg versetzt wurde. Dank der Großmutter aus Kiel sprach ihre Mutter gar keinen bayerischen Dialekt; so wuchs Charlotte Hermelink dialektfrei auf. Dafür mit einer breiten Palette an Interessen, bei denen der Traum, ins Ausland zu gehen und dort zu arbeiten, ganz weit oben stand.

Sie studierte Philosophie, Psychologie und Italianistik. Und unterrichtete nebenbei Deutsch als Fremdsprache. Ein Fach, bei dem man als Lehrer die eigene Muttersprache selbst noch mal neu kennenlernt. Sie erinnert sich noch an das Glücksgefühl, das sich einstellte, als eine analphabetische Aussiedlerin aus Russland, die dort Bäume gefällt hatte, ihre ersten Worte Deutsch lesen konnte.

Charlotte Hermelink bewarb sich beim Goethe-Institut und wurde 1990 genommen. Das Goethe-Institut arbeitet in 91 Ländern mit 135 Instituten und 13 Instituten in Deutschland daran, Ausländern die deutsche Sprache zu vermitteln - mehr als 200.000 Menschen besuchen jährlich die mehr als 18.000 Sprachkurse. Darüber hinaus sorgen die Institute für einen kulturellen Dialog mit den Menschen.

Hermelinks erste Station hätte gern Indien sein dürfen - einer alten Verbindung der Familie väterlicherseits folgend. Es wurde Marokko, die Institute in Rabat und Casablanca, als Leiterin der Sprachabteilung. Auch in den arabischen Kulturraum führt eine Wurzel aus der Familie; ihr Vater konnte Arabisch und war Experte für arabische Mathematik. Sie fand in Marokko einen Riesenandrang von Lernwilligen - Deutsch war ein wichtiger Schlüssel zu einer besseren Ausbildung, einem besseren Leben. Sie selbst hat dort fast Wurzeln geschlagen. "Man muss sich auf das Land einlassen, idealerweise die Sprache können, die Geschichte verstehen und verstehen, worüber die Leute lachen, was ihre Sehnsüchte und das Selbstverständnis sind."

Als begeisterte Hobby-Musikerin hatte Charlotte Hermelink ihre Geige dabei, spielte mit im Philharmonischen Orchester Marokko. "Die Bläser dort kamen aus dem königlichen Militärorchester - das war ganz schön Arbeit, bis die etwas lockerer gespielt haben." Nach fünf Jahren musste sie weiterziehen. "Wenn man eine Kultur wirklich liebt, ist das schon schwierig." Nächste Station: die Zentrale in München, Personalabteilung. Nun schickt sie selbst die Kollegen los, muss ausbalancieren zwischen persönlichen Interessen und denen des Instituts - "nicht jeder kann in Paris oder Rom arbeiten". Für Kabul ist das Gedränge nicht so groß.

Nach vier Jahren wird sie selbst nach Turin geschickt, als Leiterin des dortigen Instituts. Ist wieder mit den Kindern unterwegs, ihr Mann, Dokumentarfilmer, muss eigenen Reiseplänen folgen. 2009 bewirbt sie sich nach Hamburg. "Unsere Kinder besuchten in Italien eine italienische Schule, ihr Deutsch drohte zu verwildern. Und ich wollte gern, dass die Kinder ihre deutschen Wurzeln pflegen." Eine Großstadt sollte es sein, es wurde Hamburg und das 2002 gegründete Institut, das im sechsten Stock über der Zentrale der Öffentlichen Bücherhallen am Hühnerposten residiert. 200, 250 Schüler sind dort pro Monat, die in Kursen von vier bis acht Wochen Deutsch lernen. "Wir haben 50, 60 Nationalitäten hier", sagt Charlotte Hermelink. "Für die meisten ist das ganz einmalig, unabhängig von ihrer Sprache und Kultur mit Menschen aus Ländern in einer Gruppe zu sitzen."

Die Diskussionen im Sprachunterricht drehen sich oft um ganz handfeste Fragen: Wie lebt man? Soll man heiraten? Welche Rolle spielt die Familie? "Da sind die Antworten eines koreanischen Professors eben ganz anders als die einer jungen arabischen Studentin." Das Institut in Hamburg, das mit vielen freien Sprachlehrern arbeitet, muss sich selbst tragen - aus Gebühren für Sprachkurse und Prüfungen.

Charlotte Hermelink wohnt mit den Kindern in Wellingsbüttel - und wäre doch lieber etwas urbaner in Eimsbüttel angekommen. "Aber was wollen Sie machen - bei drei Tagen Wohnungssuche und diesen Preisen?" Geige spielt sie auch wieder, bei der Hamburger Orchestergemeinschaft. Nur im Sommer musste sie pausieren - "da haben wir bei Goethe ganz viele Jugend- und Kinderkurse. Da fällt auch schon mal der Sommerurlaub flach.

Die Adresse für die beste Weißwurst in Hamburg hat sie noch nicht gefunden, da fällt der Blick nach vorn schon auf den nächsten Abschied. "In ein, zwei Jahren." Ihre 19 Jahre alten Zwillinge werden jetzt nach dem Abitur wohl nicht mehr mitkommen. Ihr Mann schon eher. Wenn sie sich das Ziel aussuchen könnte, "läge es im islamischen Kulturkreis. Das kann auch der Iran sein." Iran? "Ein sehr interessantes Land."