Unter Pseudonym schrieb Wiebke Lorenz mit ihrer Schwester Liebesromane. Aber es schlummert noch eine andere Autorenseele in ihr.

Hamburg. Billy an Billy stehen die weißen schmalen Bücherregale in der hellen Altbauwohnung. Darin finden sich Erzählungen von Edgar Allan Poe und Astrid Lindgrens "Die Kinder aus Bullerbü". Bücher mit pastellfarbenem Rücken, solche, die oft in Frauenzeitschriften empfohlen werden. Der Bestseller "Sakrileg" und düstere Titel wie "Ich bin kein Serienkiller". Ganz links unten steht ein Buch mit der Aufschrift "Alles muss versteckt sein". Auf dem Cover sind blutverschmierte und hinter dem Rücken gefaltete Frauenhände abgebildet. Die Besitzerin der heterogen gefüllten Bücherregale ist die Autorin.

Viele kennen Wiebke Lorenz unter ihrem Pseudonym Anne Hertz. Als diese schreibt sie gemeinsam mit ihrer Schwester leicht bekömmliche Frauenromane. Aber es schlummert noch eine andere Autorenseele in ihr. "Ich habe mich schon immer für Psychologie und die menschlichen Abgründe interessiert", sagt die 40-Jährige, die auch für ihre launige Kolumne in der Zeitschrift "Cosmopolitan" bekannt ist. Das Heitere liege ihr sehr. Doch selbst liest sie besonders gerne Thriller - Todesfantasien kontra Flirtlaune. Wer ist die echte Wiebke Lorenz? Was ist ihre kreative Handschrift? "Stilistisch ist mir der Thriller am nahesten", sagt sie. "Im Sinne von 'was ich selbst am liebsten lese'."

Zweieinhalb Jahre hat Lorenz an ihrem neuen Roman "Alles muss versteckt sein" gearbeitet, in dem es um Marie geht, die unter aggressiven Zwangsgedanken leidet und eines Morgens neben ihrem ermordeten Geliebten Patrick aufwacht. Lorenz recherchierte in der Psychiatrie der Asklepios-Klinik Nord (Ochsenzoll). Auch wenn die Autorin betont, dass die Schilderung im Buch nicht die Situation dort wiedergibt, haben sie die Besuche geprägt. Sofort erzählt sie von den Sicherheitsvorkehrungen und den vielen Türen, die ständig auf- und zugeschlossen werden. "Klick, klick, klick", schreibt sie darüber im ersten Kapitel ihres Buchs. Auch die Kindlichkeit der unter Medikamenten stehenden Patienten beschreibt sie nicht nur, sondern hat sie selbst erlebt. "Das geht einem schon nahe", sagt sie. Hinzu komme die Besonderheit der forensischen Psychiatrie, in der Menschen weggesperrt werden, die zwar eine Straftat begangen haben, aber als schuldunfähig eingestuft werden. "Deswegen sind sie ja trotzdem nicht schuldlos", sagt Lorenz. "Das musste ich erst mal im Kopf klarkriegen."

Etwa sechs Monate hat sie nach der Recherche und Entwicklung der Handlung an dem Buch geschrieben. Parallel arbeitet sie an einem neuen Roman von Anne Hertz. "Ich kann das einfach stundenweise wechseln", beschreibt sie ihren Arbeitsalltag. Das sei schließlich ihr Beruf, und sie habe gelernt, unterschiedliche Stile zu benutzen. "Ich sitze nicht mit einem Rotwein da und warte, dass die Muse mich küsst." Die düstere Welt ist für sie ein Ausgleich zu den Frauenromanen. "Nur ein Metier wäre mir zu langweilig", sagt sie. "Ich brauche die Herausforderung." Besonders gerne wechselt sie an schwierigen Stellen. "Ich bin sehr prokrastisch veranlagt", sagt sie und meint damit das Aufschieben von unschönen Aufgaben zugunsten leichterer. Oft spielt sie zur Zerstreuung an ihrem Cembalo im Nebenzimmer. "Meine Anlaufphase ist manchmal etwas länger, aber dafür schreib ich dann auch gleich zehn Seiten am Stück."

In die jeweils richtige Stimmung bringt sie sich mit Musik. Die Thriller sind getragene Klassik, Anne Hertz Pop. "Musik gehört unverrückbar zu meinem Leben." Lange wollte sie dies sogar studieren. Aber dann begann sie als Teenager Konzertkritiken für die Lokalzeitung zu verfassen und entdeckte die Lust am Schreiben.

Themen liefert ihr der Alltag. "Alles, was ich schreibe, hat irgendwie was mit mir zu tun", sagt sie. "Es kommt ja aus meinem Kopf." Da das normale Leben nun mal nicht spannend genug sei, um damit Romane zu füllen, treibe sie diese Ansätze dann auf die Spitze. Auch Zwangsgedanken. "Ich bin im persönlichen Bereich darüber gestolpert", sagt sie fast schon lapidar. Mehr will sie dazu aber nicht erzählen. "Es ist unfassbar, was unser Kopf alles mit uns machen kann." Sie will den kleinen unspektakulären Horror erzählen, der aber genauso fürchterlich ist. Sie ist fasziniert davon. Angst macht er ihr nicht. "Ich bin nicht so die Zartbesaitete", sagt sie.