Der Hamburger Sebastian Knauer hat als erfolgreicher Konzert-Pianist sein eigenes Netzwerk aufgebaut. Der 40-Jährige hat bis zu 100 Auftritte pro Jahr.

Hamburg. Wie wird man ein Konzert-Pianist, der in allen großen Musikhallen und den Programmen der bedeutenden Festivals der Klassikwelt vertreten ist, mit bis zu 100 Auftritten pro Jahr? Der Hamburger Sebastian Knauer, 40, kennt die beiden Wege, über die man das erreicht. „Der eine führt in jungen Jahren über Siege in einem der großen Klavierwettbewerbe direkt in den Marketing-Turbo einer großen Plattenfirma. Da absolvieren dann wahnsinnig junge Leute, die toll spielen, etliche Jahre ein gewaltiges Konzertpensum. Danach ist man entweder ein Star, der sich in Ruhe selbstbestimmt weiterentwickeln kann, oder kräftemäßig ausgebrannt.“

Bei ihm, sagt Knauer, war es anders. Geboren 1971, habe er schon mit vier Jahren darauf bestanden: „Ich will Konzertpianist werden!“ Was die Eltern durchaus freute – sein Vater Wolfgang Knauer arbeitete später beim NDR als Chef der Klassikwelle, seine Mutter Christa leitete den Landeswettbewerb von ‚Jugend musiziert’. „Davor schon hab ich angeblich immer geschrien und geweint, wenn Klaviermusik bei uns gespielt wurde. Dann hieß es entweder: Er ist wahnsinnig begabt und kann das nur noch nicht richtig ausdrücken, oder: Er hasst es. Es war doch wohl das erste; und ich bekam musikalische Früherziehung und Klavierunterricht.“

Daneben blieb aber Zeit für eine ganz normale Kindheit, mit Schule und Sport – Feldhockey, Skifahren. Nicht eben Klassiker für sensible Pianistenfinger. Knauer sagt: „Ich war kein Wunderkind, mir fliegt nichts einfach so zu. Ich muss mir alles ganz hart arbeiten. Wenn ich ein Stück bis zur Bühnenperfektion bringe, dann steckt da sehr viel Zeit drin. Ich bin aber ein fleißiger Arbeiter und entwickle dadurch mein Spiel weiter.“

Zwar spielte er schon 1984 in der Laeiszhalle ein Haydn-Klavierkonzert, aber es dauerte noch, bis aus dem ewigen Dilemma „üben oder nicht üben“ der innere Antrieb wurde. „Das war1988, als ich beim Bundeswettbewerb ‚Jugend musiziert’ auf Bundesebene einen ersten Preis gewonnen habe. Da hab ich gespürt: Das funktioniert, da muss etwas dran sein, und habe mich aus eigenem Antrieb weiterentwickeln wollen.“

Knauer ist ein lockerer Typ, zwei Hemdknöpfe offen, Jeans, Dreitagebart, mit blauen Augen und manchmal einem kantigen Blick, der eher zu einem Bergsteiger oder Weltumsegler passt. Aber auch in der Musik gibt es Achttausender und gefährliche Gewässer. Er erzählt ohne die Scheu, sein Künstler-Image könnte durch das Aufzeigen des schwierigeren Wegs zum Erfolg Kratzer davontragen. Zu spüren sind eher die Freude und Stolz, es trotzdem geschafft zu haben. Er hat eben andere Pfade zum Erfolg gefunden – außer durch Können und Vielseitigkeit sicher durch seine gewinnende Art, die ihm das Aufbauen eines eigenen Netzwerks im künstlerischen Bereich leichter macht.

Er sagt von sich selbst: „Ich bin einfach kein Wettbewerbstyp.“ Mehr, schneller und lauter, das Auftrumpfen mit Höchstschwierigkeiten, sei nie sein Ding gewesen. Er erinnert sich an seinen ersten Klavierlehrer Gernot Kahl, der von ihm forderte: Lass die Musik singen! Da kommt man dann automatisch in einer bestimmten Ecke des Repertoires an, die sich mit seinem frühen Faible für die Komponisten der Wiener Klassik traf: Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert. „Das wurde meine erste Nische, in der ich musikalisch so intensiv spielen wollte, dass die Leute berührt werden, erfreut sind oder traurig gestimmt.“

Von hier hat er seine heutige Bandbreite entwickelt. Die CDs zeugen davon: Sie reichen von George Gershwin, Leonard Bernstein, Schubert, Mozart, Mendelssohn und Chopin bis zur aktuellen großartigen Einspielung unter dem Titel „Bach & Sons“: Klavierkonzerte von Vater Johann Sebastian und dessen Söhnen Carl Philipp Emanuel und Johann Christian, gespielt auf dem Steinway-Konzertflügel und begleitet vom Zürcher Kammerorchester unter Sir Roger Norrington, erschienen bei „Berlin Classics“. Wieder so ein musikalischer Gipfel, den Knauer mit Bravour bezwungen hat.

Inzwischen tummelt er sich auf vielen Feldern, spielt Duo mit dem Violinisten Daniel Hope, liebt seine Programme, die mit Text und Musik spielen, die Komponisten in zwei Dimensionen erfahrbar machen und zu denen ihm Vater Wolfang die Texte schreibt: etwa Chopin, Mozart, Liszt oder Beethoven – gemeinsam mit Schauspielerinnen wie Hannelore Elstner, Gudrun Landgrebe, Martina Gedeck, Barbara Auer oder auch mal Klaus-Maria Brandauer. Auch davon gibt es etliche auf CDs.

Er überlässt als Künstler sein Schicksal nicht anderen, sondern behält bei seinen Projekten am liebsten die wichtigen Fäden selbst in der Hand, auch wenn es um Sponsoren und Konzert-Termine geht. Zwei Jahre hat er auf die Bach-CD hingeplant, bis sie an drei Tagen in Zürich aufgenommen wurde. Und wenn ihn der Ehrgeiz packt, dann spielt er auch, wie 2002 in Hamburg, sämtliche Klavierkonzerte von Mozart in einer eigenen Programmreihe. „Das will ich übrigens nochmal anpacken“, sagt er.

Seine Frau Dorothee hat er kennengelernt, als ein Konzert in Italien ausfiel und er bei Freunden auf einer Hochzeit spielte: „Die schönste Konzertabsage meines Lebens, denn ohne sie hätte ich meine wundervolle Frau nie kennengerlernt.“ Die Familie wohnt in Eppendorf, nahe bei ihren Wurzeln. „Wir Knauers sind alte Hamburger“, erzählt er. Und dass sein Vorfahr, der Weinhändler Georg Andreas Knauer, 1824 in Eppendorf die Kurklinik „Beim Andreasbrunnen“ gründete, allerlei Mineralwässer anbot und damit einen gesellschaftlichen Treffpunkt schuf, Kutschen-Service vom Jungfernstieg inklusive. Noch heute gibt es in Eppendorf eine Knauerstraße und den Gedenkstein an der Eppendorfer Landstraße. Kreativer Unternehmergeist: Beinahe hätte es dieser Knauer geschafft, aus Hamburg „Bad Hamburg“ zu machen.

Was aber würde Sebastian Knauer sagen, wenn seine kleine Tochter Vivian, drei Jahre alt, plötzlich sagen würde: „Papa, ich will Konzertpianistin werden!“? Knauer lacht: „Dann sag ich: Kind, überleg’s dir gut.“ Sein Sohn Valerian hat mal mit Gitarre angefangen, fühlt sich aber inzwischen im Sport wohler. „Das ist völlig ok. Drängen würde ich ihn nie zur Musik.“