Der Weltstar kam zum dritten Geburtstag des Musicals “Tarzan“ nach Hamburg. Das Abendblatt begleitete den Star einen Tag lang.

Hamburg. Phil Collins ist ein Profi. Einer, der sich und der Öffentlichkeit mit seinen 60 Jahren nichts mehr zu beweisen hat. Sein Arbeitstag in Hamburg hat zehn Stunden. Jede Minute ist mit Programm belegt. Um 13 Uhr landet Collins, der seit 16 Jahren in der französischen Schweiz lebt, am Hamburger Flughafen. Ein Fahrer bringt ihn und seine beiden jüngsten Söhne ins Hotel Hyatt. Vom luxuriösen Ambiente hat er nicht viel, schon um 14.50 Uhr erklärt ihm Holger Kersting von der Presseabteilung des Musicalunternehmens Stage den Ablauf des Tarzan-Jubiläums.

Collins ist bereits zehn Minuten früher mit seinem Manager Danny Gillen im Konferenzraum des Hotels, wo sechs Interviews in Folge stattfinden werden. Derweil kümmert sich Collins' langjährige Nanny um Nicholas, 10, und Matthew, 6. Die beiden haben Schulferien und wollen Papas Stück anschauen. "Hey, schön, dich wiederzusehen", begrüßt Collins Kersting. Die beiden kennen sich, schließlich schrieb der Brite die Musik für das Disney-Musical "Tarzan", das am Sonnabend seinen dritten Geburtstag in der Neuen Flora feierte. Collins trägt unauffällige Kleidung, weite Jeans, weißes Hemd, schwere schwarze Turnschuhe. Genau will er wissen, was ihn erwarte, welches Medium ihn befrage, ob er mit einem Zeitungsinterview oder einem TV-Sender beginne.

Er setzt sich in den für ihn vorgesehenen Sessel, ein großer Scheinwerfer ist auf sein Gesicht ausgerichtet, das Licht für Fotos soll perfekt sein. Collins ist ruhig, macht keine Witze, hat nicht den Ansporn, die Techniker zu unterhalten. Er sitzt einfach da. Wartet, dass es losgeht. Trommelt mit den Daumen versunken auf seine Oberschenkel, als begleiteten sie ein Lied in seinem Kopf. Dann wird es ihm langweilig. "Muss ich nicht sowieso irgendetwas signieren?", fragt er und fängt an, auf einem Tisch liegende CDs und Programmhefte zu unterschreiben.

Die erste Interviewerin unterbricht seine Autogrammstunde. Collins antwortet routiniert, doch immer öfter lässt er sich Zeit, schaut an die Wand und überlegt genau. Jedenfalls macht es den Anschein. Das verunsichert sein Gegenüber, schnell eine neue Frage, aber Collins antwortet voller Ruhe auf die vorige. Dabei ist er freundlich und ruhig; ein Vollprofi, der das Geschäft mit Medien, Platten- und Tournee-Promotion bestens kennt.

Und er will es nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr in der Dichte wie früher. Das Wort "retirement" fällt oft. "Ich bin jetzt in Rente, ja", sagt er und kokettiert nicht damit. "Ich bin sehr stolz auf das, was ich gemacht habe", sagt er, "jedenfalls auf das meiste." Er lächelt kurz. Erzählt von seiner Zeit als Schlagzeuger, dann Lead-Sänger von Genesis, seiner Solokarriere, später der Musikkomposition für "Tarzan"-Film und -Musical. Aber er habe sich bewusst dafür entschieden, nun anders zu leben, zurückgezogen. "Ich bin kein Mensch, der gern Small Talk macht, um sich selbst zu pushen", meint Collins. "Es hat mich sehr berührt, als mein kleiner Sohn letztens zu mir sagte, ich solle doch wieder mehr Musik schreiben. Aber jetzt bin ich 60, und man schickte mich dann wieder um die Welt, und ich könnte nicht zu Hause sein."

Das sei das Wichtigste für ihn, seine beiden Jüngsten aus seiner dritten Ehe aufwachsen zu sehen. "Ihnen ein guter Daddy" zu sein. Er mache ganz normale Sachen, sein Alltag erfülle ihn. Die Kinder zur Schule fahren, sie abholen, ihnen sagen, wann es zu kalt zum Draußenspielen sei, sie zum Fußballtraining bringen. "Wir alle lieben Fußball", sagt er, "manchmal fliegen wir aus der Schweiz nach London und sehen uns die Spiele von Manchester United an."

Überhaupt habe er genug damit zu tun, seine Familie zu koordinieren: Dreimal war er verheiratet, von allen Ex-Frauen lebt er getrennt, doch pflege er zu allen ein freundschaftliches Verhältnis. Orianne Cevey, seine letzte Frau, lebt nur wenige Minuten von ihm entfernt, die Söhne wohnen abwechselnd bei beiden Elternteilen. Dann gibt es noch drei weitere Kinder: Tochter Joely lebt als Filmproduzentin in Vancouver, Sohn Simon ist Musiker, und Tochter Lily dreht gerade in New York mit Julia Roberts einen Film. "Ich bin auf alle sehr stolz, und wir versuchen, uns regelmäßig zu sehen", sagt Phil Collins, der eine Fernbeziehung mit der New Yorker TV-Moderatorin Dana Tyler führt.

Je mehr er spricht, desto lockerer wirkt Collins, genehmigt sich aber nach dem dritten Interview einen Whisky. In den Pausen fragt er nach seinen Söhnen. Mittlerweile hat er mehr als zwei Stunden gesprochen, im 30-Minuten-Takt die Gesprächspartner gewechselt. Immer öfter reibt er sich das linke Auge, befühlt seinen linken Arm, mit dem er nicht mehr Schlagzeug spielen kann.

Offen berichtet er von drei Operationen an Halswirbelsäule, Hand und Arm. "Diese gesundheitlichen Einschränkungen haben mich dazu gebracht 'Stopp!' zu sagen", meint Collins. Doch eine Sache will er gern loswerden, kommt in jedem Interview am Rande darauf: Er schreibe ein Buch. Bloß keine Biografie, nein. "Ich interessiere mich schon seit meiner Kindheit für die Geschichte der Schlacht von Alamo, an deren Ende 1836 Texas seine Unabhängigkeit von Mexiko erklärte." Viele Jahre habe er daran gearbeitet, im März komme es auf den Markt.

Um 17.20 Uhr ist der erste Teil seines Arbeitstags vorüber, sein Manager bringt ihn zu den Kindern. In anderthalb Stunden wird er vom Fahrer zum Musical-Theater gebracht, wo er über den roten Teppich gehen wird. Aber auch ein Star wie Collins kann nichts gegen Staus unternehmen, etwas verspätet kommt er um 19.25 Uhr in der Neuen Flora an. Mit ihm seine Söhne, Nanny und Manager. Er wirkt angespannt, posiert nur kurz für Fotos, bevor er vier TV-Sendern, Radiostationen und Zeitungsjournalisten Rede und Antwort steht. Und dabei wieder ganz konzentriert und freundlich wirkt.

Mit einigen Minuten Verzögerung kommt er mit seinen Söhnen und Disney-Theater-Chef Tom Schumacher um 20.05 Uhr in den Zuschauerraum, wird auf einem Gang zu den Plätzen vom Publikum mit Jubel und Klatschen empfangen. Er lacht, winkt und schiebt seine Söhne auf die richtigen Sitze. Hört seine Kompositionen auf Deutsch. Nach der Show applaudiert Collins seinem "Baby", wie er das Stück nennt, und freut sich, als Jane ihn auf die Bühne bittet. Er hat Matthew und Nicholas dabei, etwas verloren stehen sie da oben, während ihr Vater der Crew gratuliert, sich verbeugt und seine Hand in einen überdimensionalen Stern drückt: Sein Handabdruck darin ähnelt den bekannten Sternen des "Walk of Fame" und soll in Hamburg verbleiben. Collins scheint die Idee zu gefallen, er wirkt gelöst und lacht oft.

Um 23.10 Uhr dann das Highlight für die "Tarzan"-Darsteller: Phil Collins kommt hinter die Bühne, backstage. Gruppenfotos werden geschossen, Collins nimmt Tarzan-Darsteller Alexander Klaws und Elisabeth Hübert alias Jane in die Arme. Etwas abseits stehen Nanny und Söhne. Die Kleinen sind müde, Collins schaut oft zu ihnen herüber.

"Jetzt ist es genug, wir müssen gehen", sagt er. Doch er gibt noch ein rasches TV-Statement, lässt sich noch einmal mit den Gorillas fotografieren. Die Söhne gähnen im Arm der Nanny, haben bereits ihre schwarzen Lederjacken übergezogen. Collins winkt noch einmal, der Wagen sei bereits am Hinterausgang, wird ihm gesagt.

Es ist 23.30 Uhr, der Arbeitstag im Leben des Phil Collins endet. Wenige Stunden später verlässt er Hamburg schon wieder. Er muss nach Hause, in sein sogenanntes normales Leben.