Vor 40 Jahren startete der NDR-Moderator seine Karriere im Rundfunk. Jetzt wurde der Vertrag des 67-Jährigen um drei Jahre verlängert.

Rotherbaum. Carlo ist Kult. Das würden die meisten Hamburger flugs bestätigen. Viele lieben ihn, andere weniger. Seit 40 Jahren unterhält Carl Ferdinand alias Carlo von Tiedemann das Publikum im NDR Fernsehen und Radio. Und auch sein bewegtes Privatleben mit Höhenflügen und den dazugehörigen Abstürzen ist öffentlich geworden.

Doch eine so lange Betriebszugehörigkeit zu einem Unternehmen, durchwebt mit Sendungen wie "Die aktuelle Schaubude" und "NDR Quizshow" kann sich nicht jeder 67-Jährige in seinen Lebenslauf schreiben. Und Carlo, wie er freundschaftlich gerufen wird, ist dieser Tage ganz beseelt: Gerade verlängerte Programmchef Frank Beckmann den 2012 auslaufenden Kontrakt mit von Tiedemann um drei Jahre. "Damit hatte ich nicht gerechnet, ich schwebe auf einer Wolke", sagt von Tiedemann. "Und das Beste ist, dass es mit mir auch bald ein ganz neues Unterhaltungsformat im NDR Fernsehen geben wird."

Im Rahmen der "90,3-Schlagernacht" feiert der NDR am Sonnabend 40. Dienstjubiläum von Tiedemann mit einer Party in der Alsterdorfer Sporthalle (Karten an der Abendkasse erhältlich). Ausgestrahlt wird die Aufzeichnung am 1. Oktober ab 22.45 Uhr. Zum heiteren Gespräch über seine Arbeit hinter dem Mikrofon, sein Familienglück und Roger Moore bat Carlo von Tiedemann ins Café Funk-Eck. Denn hierher geht er seit 1971, das sei auch Kult. Carlo über ...

Pannen im Studio: "Eine schlimme Panne? Es gab bei mir eigentlich durchweg Pannen, die nennen mich beim NDR schon den 'Pannenkönig'. Im Gegensatz zu früher machen wir ja jetzt alles allein im Studio. Da zieht man schon mal öfter den falschen Regler auf diesem riesigen Mischpult, und dann kommt ein falscher Beitrag, eine fiese Rückkopplung oder nicht die richtige Musik oder - ganz schlimm - einfach nichts. Zum Glück hatte ich noch nie ein Problem damit, viel zu reden."

Seine journalistische Karriere: "Richtig angefangen habe ich ja beim Abendblatt als Reporter in der Lokalredaktion, da habe ich alle Themen gemacht, über Briefmarkensammler und Schwerverbrecher geschrieben. Aber dann wollte ich unbedingt ins Ausland, denn ich kam mit der Liebe meiner Eltern nicht klar. Ich bin Einzelkind und hatte eine großartige, liebevolle Kindheit, aber merkte, dass ich gehen musste, um nicht von dieser Liebe erdrückt zu werden. Ich ging also 1968 für drei Jahre nach Argentinien für den Springer-Auslandsdienst als Korrespondent. Das war mit die schönste Zeit meines Lebens! Auch, wenn ich schon damals irre Flugangst hatte und auch vor jedem Inlandsflug einen kleinen Wodka brauchte, um meine Angst in den Griff zu kriegen.

Ich kam aber zurück nach Hamburg, und im Sommer 1971 sollte ich eine Reportage über das neue Verkehrsstudio des NDR schreiben. Und da hat es mich gepackt, ich fand die ganze Atmosphäre toll, das Radiostudio, alles einfach. Kurz drauf wurde ich Reporter für die ,Umschau am Abend' und berichtete mit Ü-Wagen und allem Drum und Dran aus den Stadtteilen. Aber dann entdeckte mich die damalige NDR-Unterhaltungschefin, die merkte schon, dass ich immer nur am Quasseln war, und so kam ich vors Mikro. Eins meiner schärfsten Erlebnisse übrigens war, als mich James-Bond-Schauspieler Roger Moore abends nach einer Sendung in Hamburg ins Hotel einlud und im weißen Bademantel, im Hintergrund zehn Mädchen, fröhlich begrüßte."

Veränderungen beim NDR: "Der Sender war immer sehr offen und politisch korrekt, natürlich gibt es immer mal Anfeindungen von außen, von Kirche oder Gewerkschaften. Grundsätzlich sind die Grenzen für das, was wir auf Sendung sagen können, aber weiter geworden. Aber es gibt sie. Seit meinen Anfängen 1971 bis heute."

Seine privaten Abstürze: "Ich würde immer wieder so offensiv damit umgehen, dass ich Kokain genommen habe, gesoffen habe und die falschen Leute kannte. In meiner Sex-, Drugs- and Rock-'n'-Roll-Zeit stand ich ganz nah am Abgrund und bis zu meinem 'Outing' letztes Jahr bei Sandra Maischberger hatte ich das ja 20 Jahre für mich behalten. Darüber zu sprechen tat mir auch ganz gut. Auch zu sagen, dass ich in zehn Jahren 1,2 Millionen Schulden gemacht hatte und die stringent abbezahlt habe. Ich würde nie wieder Drogen nehmen, natürlich nicht, bin seit acht Jahren komplett clean von Alkohol und Zigaretten. Aber diese schlimme Zeit hat mich geprägt, die Narben sind da und werden nie verheilen. Auch diese Episode gehört zu meiner Akte. Furchtbar finde ich nur, dass meine jüngeren Kinder all diese Artikel irgendwann bei Google finden werden. 'Moderator liebt heroinabhängige Hure', mehr geht ja nicht. Aber deshalb spreche ich mit meinem Sohn, der jetzt acht ist, und meiner elfjährigen Tochter offen darüber."

Seine Familie: "Heute ist mir meine Familie das Wichtigste, mit meiner Lebensgefährtin Julia und den beiden jüngern Kindern Carl-Nikolas und Viktoria lebe ich in Quickborn und mit meinen älteren Töchtern Theresa und Lisa telefoniere ich. Eigentlich rufe ich sie jeden Tag an, auch wenn sie dann schon mal genervt sind, aber ich höre so gern ihre Stimmen."