Die Tochter des berühmten Liedermachers fühlt sich mit ihrem Namen gestraft und gesegnet. Die 31-Jährige ging dabei zuerst andere Wege.

Hamburg. "Meine Blondierung zickt rum." Ein Gespräch mit Marie Biermann ist eine Abfolge wunderbar schräger Katastrophen, winziger Alltagsdramen, in Sekunden gespielt, das Augenzwinkern gleich mit, ein herzerwärmendes Lachen als Dreingabe. Marie Biermann ist 31 und Sängerin. Mit den ersten eigenen Konzerten, noch keine Tourneen, "aber der Traum wird gerade wahr".

Ein Traum mit Hindernissen, denn als Tochter eines der bekanntesten Sänger und Dichter der Republik muss man sich erst mal freischwimmen aus dem Schatten des Vaters. "Das ist nicht einfach, wenn man mit so einem Namen gestraft und gesegnet ist", sagt sie. Nach den Anfängen mit 17, 18 Jahren ist sie erst mal untergetaucht und andere Wege gegangen, hat gekellnert, nachts, auf St. Pauli. Eine Schauspielausbildung gemacht, "aber Schauspielerin, das bin ich, glaub ich, nicht". Hat trotzdem bald wieder mit ihrer Stimme Geld verdient: als Sprecherin von Werbespots, Hörbüchern. Und von Computerspielen, "da sprech ich all die Bitches". Eine begnadete Parodistin von enormer Bandbreite ist sie, die Vielseitigkeit ihres Sprechorgans hat ihr manchen Job beschert.

+++ Wolf Biermann sang Gerd Krugs Abschiedslied +++

+++ Zur Person +++

2006 packte sie die Sache mit dem Singen frontal an. Bei der Feier zum 70. Geburtstag des Vaters im Rolf-Liebermann-Studio des NDR, vor laufenden Fernsehkameras, sang sie Biermann-Lieder. "Ich fühlte mich anfangs noch wie eine kleine Praline zum Geburtstag. Aber dann kam plötzlich ein Applaus, mit dem ich nicht gerechnet hatte." Da hat sie wieder Blut geleckt, plötzlich passte alles zusammen. Selbstbewusst erklärt sie, warum sie Biermann singt: "Natürlich sing ich seine Lieder. Wer denn sonst?" Sie nennt es ein paar Sätze weiter "meinen Weg zur Freiheit", und man spürt, dass die Auseinandersetzung mit dem Schaffen des Vaters ein Berg ist, der erstiegen werden muss, um zu sehen, was dahinter ist.

Wenn sie redet, springt Marie Biermann in viele Rollen, ist für Sekunden verrucht, dann wieder Kindchen, plötzlich erschreckend vernünftig, und gleich wieder übermütig. Das offene Reden über ihr Leben und ihre Träume zeichnet Konturen, von denen einige schon ausgefüllt sind, andere sich noch oft verändern können.

Kochen zum Beispiel ist eine Leidenschaft, die schon lange fest zu ihrem Leben gehört. Sie hat sogar einen eigenen Food-Blog bei Facebook. Rezepte als Inspiration, Kochbücher als Gute-Nacht-Lektüre, dabei die Wörter schmecken wie beim Singen. "Wohl eine Folge der Patchworkfamilie, in der ich groß geworden bin", da hat sie sich gern selbst schnell was gekocht, "wenn die hungrigen Brüder schneller waren als ich".

Überhaupt, diese Familie, mit vielen Geschwistern und deren Müttern, mit Winkeln und Ecken für fast jedes Bedürfnis. "So 'ne Familie ist ..." - Marie Biermann sucht nach den richtigen Worten, die klar genug sind, aber niemandem auf die Füße treten - "wunderbar", Pause, "anstrengend". Sie stellt die Vielfalt mit Pfeffer-, Salz- und Zuckerstreuer und dem halben Inhalt ihrer Tasche auf dem Kaffeehaustisch nach.

So eine Familie macht stark, sie formt auch die Vorstellungen von der eigenen Zukunft. "Was ich mir wünsche? Das, was sich alle wünschen: Frieden, Glück, Zufriedenheit und Geborgenheit - das, was sich 20 000 andere junge Frauen auch wünschen. Irgendwo zu landen, Kinder zu kriegen, klar ... und vielleicht ein wenig mehr Überschaubarkeit, als ich es in meiner eigenen großen Familie hatte. Nicht geordneter, oh, Gott, nein. Aber ein bisschen entwirrter."

Nächstes Projekt: eine CD mit jiddischen Liedern aus der Feder ihres Vaters. "Im Frühjahr vielleicht, wenn alles erwacht und die Sehnsucht stirbt, wenn alles wieder grün wird", soll sie fertig sein.

Das Konzert von Marie Biermann am Sonnabend im Thalia Gaußstraße ist ausverkauft. Die CD "Marie singt Biermann" gibt es nur bei Zweitausendeins.