Die Tochter von Franco führt die 105-jährige Tradition des italienischen Kult-Restaurants auf St. Pauli fort - und lebt das Restaurant.

St. Pauli. Franca Cuneo ist eine Frau, die ein knallrotes enges Etuikleid tragen kann. Beileibe nicht nur wegen der Figur. Sie trägt es mit der Selbstverständlichkeit, die so ein aussagekräftiges Kleidungsstück braucht: Seht her, ich bin da und freue mich des Lebens! Franca Cuneo sprüht vor Energie und positiver Einstellung. Die besten Voraussetzungen für die Junior-Wirtin im Restaurant Cuneo in der Davidstraße 11 auf St. Pauli. Mitten im schnellen Treiben der Reeperbahn-Geschehnisse findet sich eine Familienoase. Nicht minder laut, aber herzlich.

Jeden Abend, außer sonntags, begrüßt die 30-Jährige im 1905 eröffneten Restaurant ihres Vaters, Großvaters und Urgroßvaters unzählige Gäste. "Wir geben doch jeden Abend ein Fest und machen uns dafür natürlich schön", sagt sie mit strahlenden Augen. Und auch, wenn es so schön ins Klischee passte, die Italienerin ist hier nicht angekommen, weil Vater Franco es sich so sehr gewünscht hatte. "Eigentlich bin ich per Ausschlussverfahren hier gelandet", sagt sie und lacht laut, "ich habe schon immer mitgeholfen und vieles dafür hinten angestellt, weil mir das Restaurant wichtiger war." Klausuren während ihres Jura-Studiums an der Hamburger Uni zu Beispiel. Cuneo lächelt verschmitzt mit gesenktem Kopf und dreht ihre Cappuccino-Tasse in den Händen. Kleine Falten bilden sich auf ihrer Nase. "Ich war immer schon lange vor der Abgabezeit fertig, und alle dachten, ich sei so schnell, weil ich sofort alles wusste, aber eigentlich wollte ich nur pünktlich im Restaurant sein."

Das Cuneo gehört zu ihrem Sein. Fast ein Familienmitglied ist es, mit seinen dunkelroten Wänden, den gerahmten Fotos und Kunstwerken, der kleinen Terrasse im Innenhof. Gemeinsam mit ihrem Vater führt sie es, eigentlich fast mehr allein, "aber Papa kommt mindestens montags und donnerstags, das ist ein Ritual. Denn da sind viele Stammgäste hier, die auf ihn warten", sagt Cuneo. Vater Franco, den sie liebevoll und selbstverständlich "Papa" nennt, ist ihr wichtigster Ratgeber. "Wir besprechen alle Veränderungen, und wenn er etwas nicht gut findet, ist es meistens berechtigt." Sie streicht sich die Haare hinters Ohr. "Wir reden über alles, dann streiten wir auch mal, ich weine und knalle die Türen, aber wir vertragen uns wieder." Sowieso mache das Restaurant, was es wolle. Es habe immerhin zwei Weltkriege überlebt.

"Manchmal, wenn ich mich unsicher fühle, dann schaue ich mir hier die Wände an und denke: Die machen das schon." Alles sei hier "gewachsen", es gab niemals einen Innendesigner oder Konzepte, die die Familie Cuneo umsetzen wollte. Wo genau ein Bild hängt, "das ist Zufall. Vielleicht hat es ein Gast mitgebracht, und nur hier war noch ein Stückchen Wand frei, deshalb hat es genau dort seinen Platz gefunden."

Franca Cuneo arbeitet mit acht Männern in Service und Küche zusammen, ihre Anweisungen kommen in weichem Italienisch. "Unser Koch ist zum Beispiel schon seit 40 Jahren bei uns und hat mit meiner Mutter hier in der Küche gestanden." Er kocht ihr auch die frischen Ravioli mit Spinat, die sie am liebsten isst. "Darf ich aber nur einmal pro Woche", sagt sie ernst.

Familie und wenige enge Freunde sind eine feste Größe im Leben der Franca Cuneo. "Die sind da, wenn es hart auf hart kommt." Bei Mama Karin in Eidelstedt gibt es Nudeln, Papa Franco plant die Trainingszeiten für die Rennradgruppe. Ein Tribut an die italienische Rennrad-Verrücktheit.

"Hier, auf dem Bild sind wir alle", sagt sie stolz und holt ein großes Foto von der Wand über der Kasse. 20 Sportler, mit Helm und Trikots. Francas Bruder, Dr. Alessandro Cuneo, Kardiologe an der Asklepios-Klinik St. Georg, ist auch dabei, wurde gerade erst deutscher Meister der Ärzte und Apotheker im Rennradfahren. Im Leben der Franca Cuneo mangelt es demnach nicht an Männern, doch seit 2004 schaffte es keiner, das Herz der St. Paulianerin zu erobern. Und mit ihrem Leben Schritt zu halten.