Der neue Generalkonsul Setsuo Kosaka spricht über deutsche Erfolgsrezepte, ein Leben ohne eigene Möbel und die Folgen der Katastrophe.

Altstadt. Die Beständigkeit wird in flüssiger Form gereicht. In einer Tasse, kunstvoll gestaltet mit bunten Blumenmotiven auf weißem Grund. Mehrmals täglich trinkt Setsuo Kosaka daraus seinen grünen Tee, ein festes Ritual vor einer sich wechselnden Kulisse. Seit Juli ist es der Blick auf das Rathaus, den er als designierter japanischer Generalkonsul zu seinem Getränk genießen kann. Nach drei Jahren als Botschaftsrat in Botswana wurde er nach Hamburg berufen - nach München und Frankfurt seine dritte Station in Deutschland. Am 8. August empfängt ihn Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zum offiziellen Antrittsbesuch.

Noch, sagt er, habe er nur wenig von der Stadt sehen können. "Aber das, was ich kennengelernt habe, gefällt mir sehr gut. Besonders das viele Grün." Setsuo Kosaka ist es gewohnt, Neuland zu erkunden. Fremde Kulturen, fremde Sprachen, fremde Menschen. Das ist jenes Terrain, auf dem sich der 61-Jährige seit seinem Studium im japanischen Kobe bewegt. Eines, auf dem er sich sicher fühlt, wenngleich sein Beruf so etwas wie einen Alltag kaum möglich macht. Es liege, sagt er mit ruhiger Stimme, nicht in seinen Händen, wie lange er wo bleiben kann. "Manchmal ist es für ein Jahr, dann wieder länger." Ob es schwerfalle? Setsuo Kosaka lächelt, vorsichtig schiebt er seine Teetasse von sich. "Es ist meine Aufgabe, im Ausland zu sein. Je älter ich werde, desto mehr verstehe ich, wie wichtig der kulturelle Austausch ist, um die Angst vor dem anderen zu verlieren." Überzeugt klingt das - und nicht zuletzt etwas schicksalsergeben.

Ein Vorbild sei Deutschland, und ja, selbstverständlich auch Hamburg. Durch die Umweltpolitik, durch seine moderne Technologien. Und durch die Art, in der sie hier arbeiten. "Es ist wie im Fußball: Die Japaner möchten alles gemeinsam erreichen, sind auf Harmonie bedacht. Die Europäer setzen auf Einzelstärke." Dass dies jedoch nicht immer von Erfolg gekürt ist, zeigte jüngst die Fußballnationalmannschaft der Frauen. Im Team gewannen die Japanerinnen die Weltmeisterschaft, während die favorisierten Deutschen im Viertelfinale gegen sie verloren und damit ausschieden. "Überrascht" sei er gewesen. "Ich verfolge Frauenfußball seit Längerem. Mit einem Sieg hätte ich nicht gerechnet." Umso dankbarer ist er, für sein Land, das in den vergangenen Monaten kaum Grund zur Freude hatte. "Der Titel wird dem Land Mut schenken, die Menschen optimistisch stimmen." Fünf bis zehn Jahre, schätzt er, brauche es, das Gebiet um Fukushima wieder aufzubauen. "Wir schaffen das. Japaner sind tüchtig."

Er selbst war in Botswana, als Erdbeben und Tsunami Zehntausende Existenzen vernichteten. Seine Familie lebt größtenteils in Kobe und ist nicht unmittelbar betroffen gewesen. Nur sein Sohn, 24 Jahre alt, war in Tokio, als sich die Katastrophe ereignete. Er studiert dort Wirtschaftswissenschaften. "Natürlich ist es schwierig, in solch einer Situation nicht im Land und damit bei ihm zu sein." Wie 1995, als in Kobe die Erde bebte, mehr als 6000 Menschen starben. Vieles wurde zerstört, auch Häuser seiner Familie. Setsuo Kosaka arbeitete damals in Wien, fern seiner Heimat. Wie so häufig.

Offen müsse man nun mal sein, sagt er. Das ist für ihn selbstverständlich, nicht aber für seine beiden Söhne. "Für sie waren die ständigen Umzüge schwieriger", erzählt er und lächelt wieder. Diesmal entschuldigend. Sein älterer Sohn ist mit ihm und seiner Frau Sachiko nach Hamburg gekommen, würde gern als Tennistrainer in der Stadt arbeiten, wenngleich er kein Deutsch spricht. Gemeinsam leben sie in Winterhude. Westlich ist ihre Wohnung eingerichtet, auf eigene Möbel verzichtet Setsuo Kosaka mittlerweile, weil sie bei den vielen Umzügen nur hinderlich wären. Allerdings sei es für ihn ohnehin die "Erfüllung eines Traums", in einem Jugendstil-Gebäude zu wohnen. Keine Gegenstände, die ihn an die Heimat erinnern? Nein, sagt er, denn nichts gehe über die persönliche Begegnung mit Familie und Freunden, mindestens einmal im Jahr reist er deshalb nach Japan. "Ich bin froh", räumt er ein, "wenn ich wieder ganz dort lebe."

Nach mehr als 35 Jahren im Ausland hat Setsuo Kosaka viel gelernt, über Unterschiede und Gemeinsamkeiten - und über sein eigenes Land. "In Japan sagen sie: Der Mensch ist ein Bestandteil der Natur. Und ich verstehe mich dort als ein Teil der Gesellschaft, das wird sich nie ändern." Nun aber richtet sich sein Blick zunächst nach vorn. Auf den Hamburger Rathausmarkt, der zu seiner nächsten neuen Heimat werden soll. Bis auf Weiteres.