Scharfe Zunge: Der gebürtige Hamburger ätzte in einem Interview über seinen modischen Weggefährten und zieht auch über Jil Sander her.

Neustadt. Er hat wieder zugeschlagen. Schonungslos, ohne jede Rücksicht auf (Image-)Verluste. Karl Lagerfeld bewies einmal mehr, dass er nicht nur einer der größten deutschen Modeschöpfer ist. Sondern vermutlich auch über die schärfste Zunge innerhalb der Branche verfügt. Im "Tagesspiegel" lästerte der gebürtige Hamburger, Chefdesigner bei Chanel, über zwei langjährige Weggefährten: Wolfgang Joop und Jil Sander, die gemeinsam mit Lagerfeld in den 80er-Jahren die Hansestadt als Enklave für Mode international bekannt machten. Alle starteten in der Hansestadt ihre Weltkarrieren.

Verbunden ist das Trio deshalb allerdings nicht, höchstens in einer leidenschaftlich gepflegten Abneigung. "Sein Drama ist, dass er nicht ich ist", ätzte der in Paris lebende Lagerfeld über Wolfgang Joop. "International kennt ihn doch keiner." Und weiter: "Er kann alles gut imitieren, aber er hat keinen eigenen Stil."

Fraglich ist, warum Lagerfeld überhaupt solch einen Lästerangriff nötig hat. Er ist keiner derjenigen Prominenten, die besondere Munition einsetzen müssen, um auf sich aufmerksam zu machen. Denn grundsätzlich gilt: Egal, wo und zu welchem Anlass der Mann ohne Alter mit dem gepuderten Zopf, Nietenhandschuhen und schwarzer Sonnenbrille auftritt, wird dies auf allen Kanälen verbreitet.

Lagerfelds Lästereien trafen auch Jil Sander, deren Zusammenarbeit mit dem japanischen Label Uniqlo gerade nach drei Jahren beendet wurde. Sie sei "halb im Ruhestand". "Ein entsetzliches Wort", findet Lagerfeld selbst. "Klingt wie Vorzimmer vom Friedhof." Nicht gerade elegant für einen Großmeister des Stils.

Wolfgang Joop, den die Lagerfeld-Attacke wohl am deutlichsten trifft, reagiert ungewohnt zurückhaltend. Nur so viel: "Das Ganze ist selbsterklärend", sagte er gestern dem Abendblatt. Weiter wollte er sich nicht äußern. Joop leitet seine Firma Wunderkind von Potsdam aus. Im Hamburger Stadtteil Rotherbaum wohnt jedoch noch seine Ex-Frau Karin, mit der er seine Töchter Jette und Florentine in Hamburg aufzog. Jil Sander, bekannt für ihre mediale Zurückhaltung, war für ein Statement nicht zu erreichen.

Dafür sprechen andere Hamburger Designer. Wie Sibilla Pavenstedt: "Karl Lagerfelds Kollektionen und Worte haben in der Modewelt Gewicht. Aber manchen seiner Sätze fehlt es ein wenig an Eleganz." Als Deutsch-Italienerin habe sie in Paris gelebt und dort auch ihre ersten Modenschauen gezeigt, seine starke Kritik an Berlin kann sie nicht nachvollziehen. "Mode ist international und Paris die europäische Modemetropole. Doch Berlin gewinnt aufgrund seiner jugendlichen Dynamik international immer mehr an Bedeutung. Wenn Karl Lagerfeld sagt, dass Michael Michalsky der einzige deutsche Designer ist, den er kennt, gehe ich trotzdem davon aus, dass er auch andere deutsche Namen von Bedeutung präsent hat."

Modemacher, die etwas stiller arbeiten als andere und dennoch Großes leisten. Beispiele sind für sie Tomas Maier, Chefdesigner der Luxusmarke Bottega Veneta oder Dirk Schönberger, der als Kreativdirektor erfolgreich bei Adidas arbeitet. Jungdesigner Stefan Eckert hält nichts von einer öffentlich geführten Kollegenschelte. "Ich sehe das wie ein Musiker: Mode ist etwas sehr Subjektives." Er finde auch manche Designer relevanter als andere. "Nur das muss man nicht unbedingt über die Medien benennen." Das wäre möglicherweise eine gute Anregung für Großmeister Lagerfeld, doch einmal einen Kollegen zu imitieren.