Im “Jedermann“ spielt Anika Lehmann ein Vollweib, wäre aber manchmal gern ein Mann. “Ich experimentiere mit Extremen“, sagt Lehmann.

Neustadt. In das rote Abendkleid ist Anika Lehmann vor einem Jahr das erste Mal geschlüpft. Jedes Wochenende verwandelte sie sich so in die personifizierte Erotik: Die 25-Jährige spielt die Buhlschaft im "Hamburger Jedermann". Als ein "lebensfrohes Vollweib" bezeichnet sie die Rolle, die auch schon Senta Berger, Veronica Ferres und Christiane Hörbiger gespielt haben. Ab morgen steht sie in ihrer zweiten Saison als Affäre des Jedermann in der Speicherstadt auf der Bühne.

Viel gemein hat die echte Anika Lehmann mit ihrer Rolle nicht. Statt aufgetakelt mag sie es lieber lässig-elegant, und auch ihre Freizeitbeschäftigungen sind nicht wirklich damenhaft: Motorradfahren, Klettern, gerade hat sie mit Boxen angefangen. "Ich experimentiere mit Extremen", sagt sie. Ein klassisches Mädchen sei sie sowieso nie gewesen, eher ein Kumpeltyp, der schon immer mehr männliche als weibliche Freunde gehabt hat - oder in ihren eigenen Worten "ein halber Junge". Bis heute arbeitet die Schauspielerin lieber mit Männern zusammen, kann sich aber nicht genau erklären, warum. "Männer sind irgendwie entspannter. Sie nehmen nicht alles so persönlich", sagt sie. Um Ecken denken, überall nach einem tieferen Sinn suchen und emotionale (Über-)Reaktionen benennt Lehmann hingegen als typisch weibliche Eigenschaften, von denen sie sich nicht ausnimmt. Sie sei zum Beispiel ständig emotional, leide und freue sich mit Fremden und Freunden gleichermaßen.

Obwohl sie sich in ihrer Haut als Frau sehr wohlfühlt, würde sie gern von Zeit zu Zeit mit einem Mann tauschen: "Als Mann musst du nicht so gut sein - Frauen haben mehr Konkurrenz und müssen sich ständig beweisen." Vor allem in der Schauspielbranche haben es Männer ihrer Meinung nach einfacher, weil es mehr männliche Rollen, aber weniger männliche Schauspieler gebe. So eine Aussage könnte aus manchem Mund verbittert klingen, bei Anika Lehmann klingt sie wie ein Ansporn. Anstatt sich mit Männern zu vergleichen, setzt sie lieber auf weibliche Stärken, allen voran: Charme. So weit wie die Frau in ihrer Rolle, die Sex als Mittel zum Zweck einsetzt, würde sie dabei "natürlich nicht" gehen.

Zielstrebig verfolgt sie auch ihre Zukunft, die sie Filmprojekten widmen möchte. "Ich werde immer Theater spielen, aber ich möchte mich weiterentwickeln", sagt sie. An der Arbeit vor der Kamera reizt sie, dass es eine komplett andere Art des Schauspiels sei, viel weniger übertrieben als auf der Bühne. Für Anika Lehmann bedeutet Weiblichkeit scheinbar Gegensätze zu vereinen: Extremsport und verspielt Kostüme, Bühne und Film, weiblichen Charme und männliche Gelassenheit.