Der Jazz-Pianist Joja Wendt über Selbstzweifel, die ihn früher einmal plagten. Seinen acht Geschwistern verdankt er viel. Und auch seiner Frau.

Osdorf. Er ist ständig in Bewegung. Kocht sich Kaffee, schäumt nebenbei die Milch, während er kurz noch einen Anruf erledigt, um sich anschließend dem Interview zu widmen. Joja Wendt fällt es schwer, still zu sitzen. Nur am Klavier gelingt es ihm, manchmal sogar für Stunden. Dort sind es dann seine Finger, die rastlos über die Tastatur fliegen. Ihr mit jedem Anschlag Töne entlocken, die sich zu einer musikalischen Geschichte zusammenfügen.

Der Hamburger sieht sich nicht nur als Pianist, sondern auch in der Rolle eines Erzählers. In die schlüpft der 46-Jährige auch am Pfingstwochenende wieder, wenn er jeweils am Sonntag und Montag um 18 Uhr in der Laeiszhalle auftritt. "Im Zeichen der Lyra - eine musikalische Geschichte" heißt sein Programm. Es handelt von Selbstzweifeln - und dem Mut, zu sich selbst zu stehen.

Viel Autobiografisches stecke darin, sagt Joja Wendt. "Besonders zu Beginn einer musikalischen Karriere ist man häufig unsicher. Ich wusste nicht so recht, in welche Richtung die Reise geht." Damals, als er noch nächtelang in kleinen Bars, auf Hochzeiten und Familienfeiern spielte, um sein Leben zu finanzieren - und als Fragen aufkamen, ob sein Talent ausreicht, um von der Musik leben zu können. Er passte in keine Schublade. Liebte den Jazz und den Boogie. Wagte es gar, klassische Stücke zu verändern. "Mir gefiel so viel Musik aus verschiedenen Stilrichtungen." Ein vermeintlicher Nachteil, der zu seinem Markenzeichen wurde. Heute bezeichnet sich Joja Wendt selbst als "virtuosen Pianisten", reist durch die Republik, um sein Publikum bis zu vier Abende hintereinander zu unterhalten. Den eigenen Weg zu gehen, das hat sich für den gebürtigen Hamburger ausgezahlt. Allerdings - es höre sich wesentlich leichter an als es sei. "Jeder Mensch kennt doch die Sehnsucht nach Anerkennung." Wenn die ausbleibt, die Kollegen einen schmähen, kann es schwer werden.

Was ihn in jeder Situation auffing, war seine Familie. Mit acht Geschwistern ist er aufgewachsen, als Sohn eines Arztes und einer Sängerin. Ihnen, sagt Joja Wendt, verdankt er es vielleicht, "keine autistischen Züge" angenommen zu haben. Wer täglich am Klavier sitzt, bis tief in die Nacht hinein übt, dem fehle normalerweise der soziale Ausgleich. "Das war bei uns zu Hause aber gar nicht möglich." Mittlerweile zieht er sich für die Proben in sein Tonstudio in Osdorf zurück, eine rund 140 Jahre alte ehemalige Veterinärpraxis. Mit rustikalen Backsteinwänden und einer zum Spülbecken umfunktionierten Pferdetränke. Hier ist er Musiker, fokussiert auf Noten und Tonleitern, auf die perfekte Komposition.

Wenn er nach Othmarschen zurückkehrt, zu seiner Frau Birte und den Kindern Elisa, 11, und dem neunjährigen Julius, lässt er den Job hinter sich. Dann setzt er sich nur privat an den Flügel und spielt, wenn seine Kinder im Bett liegen. "Sie können dazu wunderbar einschlafen. Das ist, wie ihnen eine Geschichte vorzulesen." Beide nehmen Klavierunterricht bei einem Lehrer, er selbst hält sich zurück. Zu viel würde sich dann vermengen, zwischen Profession und Privatleben.

Seine Frau arbeitet als Steuerberaterin - ein angenehmer Kontrast für den Künstler. "Ich mag es, wenn es sich zu Hause nicht nur um ein Thema dreht, sondern aus verschiedenen Welten berichtet wird", sagt Joja Wendt. Seine eigene Welt kennt er schließlich gut genug.