Wie der TV-Moderator Jörg Boecker im NDR eine lange Bildstörung live überbrückte - und warum der 40-Jährige Heimweh nach Winterhude hat.

St. Pauli. Jörg Boecker ist so ein Mann, der schnell mit neuen Situationen umgehen kann. Privat wie beruflich. Mit dem Unterschied, dass in seinem Job die Veränderung schneller kommen kann, als ihm lieb ist. So wie am 12. Juni dieses Jahres, als Torsten Albig (SPD) zum Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins gewählt wurde. Boecker führte als Moderator beim NDR Fernsehen durch die Live-Übertragung aus dem Kieler Landtag. Nichts Besonderes für den erfahrenen TV-Mann. Eigentlich. Wenn alles normal gelaufen wäre.

Schon 13 Minuten nach Beginn der Sendung begann die große Herausforderung. Plötzlich brach die Bild- und Tonleitung aus dem Kieler Landeshaus zusammen. Auch Boecker und die Kollegen im Hamburger Studio sahen und hörten nichts mehr - ebenso wie die Zuschauer zu Hause vor dem Fernseher. Das Blackout kam kurz vor der Verkündung des Wahlsiegers. Grund war ein schwerer technischer Defekt am Satellitenübertragungswagen, der das TV-Signal von Kiel in die Sendezentrale nach Hamburg übermitteln sollte.

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Boeckers Vorteil in dieser Situation, die jeder Moderator fürchtet, war seine 13 Jahre lange Erfahrung vor der Kamera. Der 40-Jährige, der zu Beginn der Panne auf einem Stuhl saß, um den angekündigten Beitrag seiner Kollegin aus Kiel anzuhören, nahm ohne zu zögern seine Moderationsposition im Studio ein und legte los. "Da bekommst du sofort eine Extraportion Adrenalin", sagt Boecker, lacht kurz und nippt an seinem Eiskaffee. Abkühlung hätte er damals auch vertragen können - obwohl: "Nein, Angst hatte ich nicht. Ich habe auch nicht begonnen zu schwitzen. Ich war eher hoch konzentriert und habe alle Informationen, die ich bis dahin hatte, noch einmal für meine Zuschauer zusammengefasst und erklärt, dass wir technische Probleme haben", sagt der Wahl-Hamburger, der sich selbst als "Journalist vor der Kamera" bezeichnet. "Doch natürlich wusste ich nicht, dass ich eine so lange Zeit überbrücken muss", sagt er. Freimütig sagte er den Zuschauern, dass er nun auch nicht mehr so recht wisse, was er berichten solle. Was in den Wohnzimmern eigentlich immer gut ankommt. Denn "ich habe gelernt, dass man den Zuschauer teilhaben lassen muss. Dann ist er auch nicht sauer, dass die Panne passiert ist, sondern kann besser nachvollziehen." Dann habe er die Idee gehabt, seine Kollegin aus Kiel altbewährt über das Telefon direkt ins Studio berichten zulassen. Das klappte dann auch, bevor der Sender das Programm mit romantischen Tierbildern kurzerhand beendete. Jörg Boecker schafft es auch, dieser Panne etwas Positives abzugewinnen: "Wenn im Fernsehen mal etwas nicht so läuft, wie es soll, dann schießt die Quote in die Höhe, weil Zapper hängen bleiben und sehen wollen, was da Unvorhersehbares geschieht", weiß der gebürtige Mönchengladbacher, der auch Hauptmoderator des in der ARD ausgestrahlten Verbrauchermagazins "Plusminus" ist.

Als er vor sechs Jahren nach Hamburg zog, war er schnell verliebt - in seine heutige Ehefrau und Winterhude. "Da hatte ich ein Loft mit Dachterrasse und Blick auf den Stadtpark'", sagt er. "Wir haben die Atmosphäre dort geliebt, das Café Elbgold am Mühlenkamp war ein nettes Lokal für einen Kaffee zwischendurch." Deshalb hatte er auch die Dependance dieses Cafés im Schanzenviertel als Ort des Interviews ausgewählt. Doch warum die Vergangenheitsform? Warum schwingt ein bisschen Bedauern in seiner Stimme mit?

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"Wir sind vor zwei Jahren Eltern von Zwillingen geworden und haben uns deshalb entschieden, in die Nähe meiner Schwiegereltern nach Itzehoe zu ziehen", sagt er. Viel Platz, Familienunterstützung und Natur - nachvollziehbare Gründe für den Umzug der Familie. "Schieb mal einen breiten Zwillingskinderwagen durch den Mühlenkamp, das ist eine sportliche Herausforderung", sagt der wortgewandte Vater. "Doch wir wollen zurück. Unser Herz schlägt für Hamburg. Momentan suchen wir eine Wohnung ab vier Zimmern, 100 Quadratmeter, Parterre mit Garten oder Terrasse - also das, was gefühlt alle jungen Eltern gern wollen."

Zudem sei der Fahrtweg zu unberechenbar, mal brauche er 45 Minuten, dann auch anderthalb Stunden. "Ich bin in der glücklichen Lage, als Moderator sehr viel zu tun zu haben, ich moderiere oft beim NDR, dann fliege ich abwechselnd nach Leipzig, Köln und Frankfurt, weil von dort reihum 'Plusminus' live gesendet wird. Da wäre ich froh, wenn ich nach langen Tagen nicht noch den Heimweg von Hamburg nach Itzehoe hätte." Und außerdem freuen sich auch seine Kinder Sarah und Maximilian auf Zeit mit ihm.

"Früher hatte ich ein Sportcabrio. Da passen zwar zwei Kindersitze rein, aber ich dann nicht mehr. Heute fahre ich einen Familienkombi. Früher hatte ich ein Loft in der Stadt. Jetzt habe ich ein Zuhause im Grünen", sagt er. "Kinder, sie fordern einen zwar kräftig, geben einem auch wieder viel zurück", das hat er gelernt. Mit zwei Kleinkindern ist Jörg Boecker immer "on Air". Nur eben ohne TV-Zuschauer.