Den Geburtstag feiert er im Kreis seiner engsten Freunde mit Urgesteinen des NDR wie Dagmar Berghoff, Monika Leverenz und Peter Benthack.

Hamburg. Wer so etwas wie eine Lizenz zum Reden und Vortrag halten, zum Bücherschreiben oder einfach nur zum Plaudern erwerben möchte, moderiert am besten viele Jahre lang die "Tagesschau" und verabschiedet sich dann kurz, knapp und skandalfrei: so wie Wilhelm Wieben, der heute seinen 75. Geburtstag feiert im Kreis seiner besten und engsten Freunde. Und so werden Dagmar Berghoff, Monika Leverenz und Peter Benthack - allesamt NDR-Urgesteine - Spargel mit Buttersoße und neuen Kartoffeln essen und danach Rummikub spielen, eine Art Domino mit fünf Euro Einsatz. "Zum Dessert wird es irgendetwas Beeriges geben", sagt Dagmar Berghoff, "aber Wilhelm wusste das noch nicht so genau. Ich glaube aber, dass er auf dem Isemarkt Spargelköpfe extra eingekauft hat."

Die drei Freunde haben zusammengelegt und schenken ihm einen Porzellanvogel von der "Königlichen Porzellan Manufaktur" in Berlin, denn das Geburtstagskind ist passionierter Sammler. "Ansonsten kann man Menschen in unserem Alter eigentlich nichts anderes wünschen als Gesundheit", sagt Dagmar Berghoff, "niemand wird doch gerne alt. Und wenn man das Glück hat, so wie wir, gesund zu sein, dann ist das schon ein großes Geschenk, für das wir sehr dankbar sind." Wilhelm fahre jedenfalls, meint Dagmar Berghoff, sehr flott. Allerdings nicht mehr in seinem legendären violetten Porsche, sondern in einem gebrauchten Z-3-BMW, den er gerade habe umspritzen lassen.

Wilhelm Wieben ist ein zurückhaltender Mann des öffentlichen Lebens. Der gebürtige Dithmarscher, den es aus den Hennstedter Kohlfeldern im Westen Schleswig-Holsteins in jungen Jahren ans Max-Reinhardt-Seminar in Berlin gezogen hatte, gab nach einer nicht ganz so atemberaubenden Schauspielerkarriere ab 1972 den Anchorman der bekanntesten Nachrichtensendung. Damals entwickelte er sein sachliches Understatement rasch zu einem unverwechselbaren Markenzeichen, dem er bis zu seinem letzten Arbeitstag treu blieb: "Das war's, danke!", lautete denn auch seine knappe Verabschiedung, als er am 29. Juni 1998 mit 63 Jahren von Bord des Nachrichtendampfers ging. Nur Wieben selbst wusste damals von seinem Rücktritt.

Trubel um seine Person hat er noch nie gemocht. Ein wesentlicher Grund dafür, warum sein Coming-out ziemlich geräuschlos verlief. Angeblich hatte Inge Meysel, die Wieben zu ihren engen Freunden zählte und umgekehrt, in einem "Stern"-Interview nur "aus Versehen" geplappert: "Eigentlich habe ich nur schwule Freunde. Ich verreise zum Beispiel gerne mit Wilhelm Wieben."

"Nein, nein", sagt Dagmar Berghoff bestimmt, "aus Versehen war das nicht. Die beiden hatten schon vorher darüber gesprochen." Wiebens Kommentar lautete damals: "Outen kann man nur jemanden, der etwas verbirgt."

Eine schrille "Bewegungsschwester" ist er dennoch nie gewesen. Stattdessen plädierte Wieben stets für einen normalen Umgang mit der Homosexualität. "Die Menschen haben gefälligst zur Kenntnis zu nehmen, dass es so und nicht anders ist." Diese Normalität forderte er aber auch von den Schwulen: "Kommt, das ist normal, lass das Tuntenhafte - ist doch viel attraktiver, ganz normal zu sein." Trotzdem sammelte er Geld für die AIDS-Hilfe, moderierte 1998 die Eröffnungsgala für den Hamburger CSD und erklärte sich zu einem Auftritt in "Anders-Trend" bereit; einem schwul-lesbischen TV-Magazin, das bald wieder vom Bildschirm verschwand. So wie Wieben selbst, der seinen Ruhestand anfangs zumindest sehr ernst nahm. "Aber Wilhelm ist auch eine ungeheure Plaudertasche", erzählt Berghoff, die neben ihrer Eigenschaft als engste Freundin vor allem auch als seine interessierte Theater- und Opernbegleitung fungiert. Und umgekehrt. "Wobei er das amüsante und gebildete Plaudern kultiviert hat. Er weiß sehr viel über die deutsche Geschichte und kennt wahnsinnig viele Geschichten über Königs- und Fürstenhäuser."

Nach seiner letzten "Tagesschau" verschwand er zunächst aus der Öffentlichkeit, obwohl er es eigentlich mag, erkannt zu werden: "Ich finde das sehr angenehm", sagte er einmal und geriet beinahe schon ins Schwärmen, als er sich an seine Reisen nach Ostdeutschland erinnerte, wo er häufig mit seinen ehemaligen Zuschauern ins Gespräch kam. Schon jetzt freue er sich auf eine Orgelstunde im Gewandhaus in Leipzig, in der er im Juni lesen werde, sagt Dagmar Berghoff, die sich immer wieder darüber amüsieren kann, dass er meist eher erkannt wird als sie, wenn sie einmal gemeinsam ausgehen: "Das liegt daran, dass Wilhelm genau so aussieht wie im Fernsehen, und ich eben nicht."

Nach knapp drei Jahren ziemlich konsequentem Pensionärsleben, die er häufig auf Kreuzfahrtschiffen verbrachte, trat er dann immer mal wieder in Talkshows auf, moderierte Veranstaltungen oder im Dritten die Sendung "Melodie der Meere". Oder er nahm Sprachplatten auf Plattdeutsch auf: As en Rezitator maakt he siet düsse Tiet ok jümmers wedder Höörbökers mit ansproksvull nedderdüütsche Literatur, ünner annern vun Hinnerk Kruus, Fritz Wischer un Klaus Groth.

"Was ihn auszeichnet, ist seine konsequente Haltung - eigentlich in allen Fragen des Lebens", sagt Dagmar Berghoff. So ist der erfahrene Fernsehmann bemüht, über sich selbst nur das Notwendigste preiszugeben. Richtig wortkarg werde er jedoch, wenn man ihn auf kompromittierende Schlagzeilen anspreche: "Er möchte niemanden beurteilen." Und konsequent sei Wieben auch, wenn ihm ein Stück nicht gefallen würde: "Er hat es schon fertig gebracht, mich nach der Pause alleine sitzen zu lassen", erinnert sie sich.

Heute, am Jubeltag, also wieder Rummikub. Keine große Feier, vor allem aber kein sehnsüchtiges Schwelgen in der "Tagesschau"-Vergangenheit. Der trauere er nicht nach, auch wenn sie letztendlich zu seinem erfolgreichen, zufriedenen Leben beigetragen habe. Freunde seien in unserem Alter wichtiger, mahnt Wilhelm häufig, erzählt Dagmar Berghoff. Deshalb laute ja auch eines seiner Lebensmotti: "Fang rechtzeitig an, Freundschaften zu pflegen!"