Yared Dibaba hat zwei Heimaten: Einmal Hamburg, die Stadt, die er liebt, und außerdem noch die Provinz Oromia in Äthiopien.

Hamburg. Heute spürt er täglich den Einklang seiner zweier Welten. Yared Dibaba (40) kann nun sagen, er habe zwei Heimaten. Einmal Hamburg, die Stadt, die er liebt, in welcher der Moderator mit seinen beiden Söhnen und seiner portugiesischen Frau lebt. Doch dann ist da noch Äthiopien, genauer die Provinz Oromia. Hier wuchs Dibaba auf, bis seine Eltern mit ihm und seinem älteren Bruder vor den Übergriffen der herrschenden Diktatur flohen. Zehn Jahre war er, als sich die Familie nahe Delmenhorst niederließ. "Hier konnte ich eine ganz normale Kindheit verbringen. Ich habe mich gleich wohlgefühlt, da ich ziemlich schnell bei einigen Aktivitäten im Dorf dabei war", erinnert sich Dibaba.

Trotz des plattdeutschen Kinderchors, trotz Theatergruppe, Fußballtraining und eines großen Freundeskreises vermisste er Afrika. "Man sagt, Menschen sind wie Bäume, wir brauchen Wurzeln. Sich zu verpflanzen ist ein langer Prozess, und die Erinnerungen an das Herkunftsland verblassen nur allmählich - oder gar nicht", so Dibaba. Deshalb brach er mit 24 Jahren auf, die "andere" Heimat, Oromia, zu besuchen. Seine Ankunft wurde gefeiert, alle Familienmitglieder kamen zusammen, erzählten Anekdoten. Dibabas Sehnsucht wurde endlich gestillt. Er genoss es, nun ein realistisches Bild vom oftmals idealisierten Land zu haben. "Als ich wieder zurück war, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich nicht zwischen, sondern auf zwei Stühlen sitze", sagt der 40-Jährige und rührt langsam seinen Kaffee im Café Sha um. "Irgendwann vertiefen sich die Wurzeln, ich habe mich auf Hamburg eingelassen", sagt er und lächelt. Auch seinen Söhnen möchte er gern irgendwann zeigen, an welchem Ort er die ersten Jahre seines Lebens verbracht hat.

In Hamburg hat er Erfolg beim NDR, trat die Nachfolge von Eva Herman in der gemeinsamen NDR-Talkshow mit Bettina Tietjen in Hannover an, übernahm "Land und Leute" von Ina Müller.

Wo der Vater sonst seine Zeit verbringt, das können seine Jungs im Fernsehen sehen: in der Sendung "Welt op platt". Hierfür war Dibaba drei Jahre lang immer wieder gemeinsam mit seiner NDR-Kollegin Julia Westlake in der ganzen Welt unterwegs, um Plattschnacker aufzuspüren. Er selbst moderiert und führt die Interviews mit den norddeutschen Auswanderern - natürlich auf Platt (seine Dreharbeiten wurden begleitet, zu sehen im NDR, "Rund um den Michel", 6. Dezember, 18 Uhr). Von Namibia bis Paraguay, von Sibirien bis Chile und Brasilien, überall spürte das Team Menschen auf, die sich aus unterschiedlichen Gründen eine neue Heimat gesucht haben. Ihre Geschichten handeln von Liebe, Wut, Arbeitssuche. Um die ständig wechselnden Länder, Städte und Örtchen kennenzulernen, erfanden Westlake und Dibaba das Ritual, jeden Morgen joggend die Umgebung zu erkunden. "Es tat uns immer gut, und wir haben schöne Erinnerungen daran. An Sibirien, wo die Menschen ungläubig geschaut haben, an Sydney, als wir auf den Hafen sahen, an Südafrika wegen der Maisfelder", sagt Dibaba.

Erlebnisse, die in den Fernsehfolgen keinen Platz hatten, schrieb Dibaba auf. "Der Heimatforscher" nannte er sein neues Buch, aus welchem er am heutigen Montag in der Buchhandlung Heymann (20.30 Uhr, Eppendorfer Landstraße 77) vorliest.