Preisverdächtig sieht sie aus. Trägt ein kleines Schwarzes und an den Füßen schwarze Lack-Ballerinas. So als würde sie jeden Moment auf die Bühne gerufen und für ihren “fantasievollen Umgang mit der deutschen Sprache“ ausgezeichnet.

Hamburg. Zahlreiche Literaturpreise hat sie schon, zudem das Bundesverdienstkreuz am Bande. Doch Cornelia Funke sitzt gerade nicht in einem Festsaal - sie steht vor einer Scheune in Mölln. "Hier mache ich heute eine Lesung für Kinder. Das bedeutet mir mehr als jede Auszeichnung."

Gut, als das Magazin "Time" sie 2005 zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt gezählt habe, sei sie erst ein bisschen überrascht gewesen. Und dann schon auch ein bisschen stolz.

Cornelia Funke ist eine der erfolgreichsten Kinderbuchautorinnen der Welt. Ihre Bücher, allen voran die "Tintenwelt"-Trilogie und die Serie "Die Wilden Hühner", verkauften sich 15 Millionen Mal, wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Sogar auf den Färöer-Inseln, wo jährlich nur ein Titel herauskommt, wird Funke verlegt. Ihren Bestseller "Tintenherz" hat Hollywood erfolgreich verfilmt. "Schreiben ist für mich keine Arbeit - es ist das, was ich am liebsten mache und am besten kann", sagt die Diplom-Pädagogin, die Anfang der 80er-Jahre in Hamburg studiert und bis 2005 in Ohlstedt gelebt hat. Die Literatur soll ihr bereits in die Wiege gelegt worden sein. Ihr Vater habe statt Kuschelbären lieber Bücher in Cornelias Kinderbettchen gelegt, wird erzählt. Sie sehe sich als "Spionin der Kinder in die Welt der Erwachsenen", sagt Cornelia Funke. "Ich glaube, mir gelingt das, weil ich mich manchmal selbst wie eine Zehnjährige fühle." Tatsächlich sieht die 50-jährige Frau mit den langen, blonden Haaren jung aus, das offene Lachen lässt ihr mädchenhaftes Gesicht strahlen. Sie nippt an ihrer Teetasse und packt ihren Blackberry vom Tisch. "Den brauchen wir nicht, das sieht nach Hollywood-Klischee aus", sagt sie, und in ihrer sanften Vorleserinnen-Stimme klingt der westfälische Dialekt ihrer Dorstener Heimat mit.

Vor vier Jahren zog die Schriftstellerin mit ihrer Familie aus Deutschland in die USA. Von Ohlstedt nach Beverly Hills, 90210. In eine Villa, die mal Faye Dunaway gehört hat. Das Gartenhäuschen, einst der Schrein für die Trophäen der Filmdiva, ist jetzt Cornelia Funkes Schreibhaus. "Ich mag das Licht in Kalifornien, das gute Wetter", sagt sie. In Promi-Cafés treffe man sie nie, eher in den einsamen Berglandschaften im Norden der Stadt. Los Angeles sei ein Ort der Extreme, an dem die Menschen ihre Träume leben, sogar die verrücktesten. "In dieser real gewordenen Fantasiewelt sieht man die Wirklichkeit umso klarer", sagt Cornelia Funke. Im englischsprachigen Ausland die deutsche Sprache nicht zu verlieren sei eine Herausforderung. Mit Tochter Anna (19) und Sohn Ben (14) spreche sie nur Deutsch. Und natürlich mit Freunden wie Florian Henckel von Donnersmarck ("Das Leben der Anderen"). "Außerdem lese ich viel, um die deutsche Sprache auf der Zunge zu haben." Und um neue Bücher vorzubereiten: Im Frühjahr 2010 soll "Reckless" (deutsch: waghalsig) erscheinen, die Geschichte um ein Bruderpaar, das ins 19. Jahrhundert und in die Welt der grimmschen Märchen verschlagen wird. Ein neuer Fantasy-Roman der "deutschen J.K. Rowling". "Ein schönes Kompliment", sagt Cornelia Funke. Diesen ewigen Vergleich höre sie jedenfalls lieber als die Frage, wann sie endlich Literatur für Erwachsene schreibe. "Das tue ich die ganze Zeit, ich habe Leser jeden Alters. Außerdem sind Kinder das beste Publikum der Welt. Die tun bestimmt nicht interessiert, wenn sie sich langweilen."

Im September kommt Cornelia Funke zum Harbour Front Literaturfestival nach Hamburg. Ob sie nach Ohlstedt fährt? "Nein, ich bin ein merkwürdig unsentimentaler Mensch. Das Kapitel war schön, ist aber erzählt. Jetzt geht die Geschichte weiter."